Streichquintett F-Dur, op. 88 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Streichquintett F-Dur, op. 88

Quintett Nr. 1 F-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello, op. 88

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 369

Satzbezeichnungen

1. Allegro non troppo ma con brio

2. Grave ed appassionato – Allegretto vivace -Tempo I – Presto -Tempo I

3. Allegro energico – Presto

Erläuterungen

Die beiden Streichquintette von Johannes Brahms, F-Dur, op. 88, und G-Dur, op. 111, gehören in die späteren Schaffensjahre des Komponisten. Sie wurden 1882 bzw. 1890 in Bad Ischl komponiert und sollen von der idyllischen Alpenlandschaft dieses Ortes inspiriert sein. Brahms selbst nannte sein F-Dur-Quintett „ein Frühlingsprodukt“, sein zur Ausschmückung neigender Biograph Max Kalbeck sprach von einem „Kind des würzigen Ischler Mais“.

Nach dem misslungenen Versuch, schon in jungen Jahren ein Streichquintett zu schreiben – es war jenes Quintett mit zwei Celli, das Brahms zuerst in ein Klavierduo, dann in sein Klavierquintett (op. 34) umgewandelt hatte – ließ sich der Komponist mit der Gattung Zeit. Das Vorbild der Streichquintette Mozarts, die Brahms über alles liebte und oft als Musterbeispiele vollendeter Formgestaltung pries, mag ihn eher eingeschüchtert denn ermutigt haben. Ferner galt es, die von dem Geigerfreund Joseph Joachim an dem frühen Quintett gerügten klanglichen Härten zu überwinden. Im F-Dur-Quintett ist Brahms beides so vollendet gelungen, dass das Werk spontan zu einem Lieblingsstück seiner Freunde und des Publikums avancierte. Selbst der hartnäckigste Kritiker des Komponisten in Wien, der junge Hugo Wolf, streckte vor dem Charme dieses Werkes die Waffen. Er meinte, mit dem Erklingen des ersten Satzes gelange man „in eine freie, sonnige Aue, worin sichs an der Hand des kundigen Komponisten gar herrlich erging“. In der Tat stecken die Klangschönheit des 1. Satzes und die behagliche Atmosphäre, die seine Themen ausstrahlen, zu poetischen Vergleichen an. Dahinter verbirgt sich jedoch – wie stets bei Brahms – ein Netz motivischer Verknüpfungen, wie man es sich enger nicht vorstellen könnte.

Der 2. Satz enthält eines der bei Brahms seltenen Formexperimente: langsamer Satz und Scherzo sind zu einem Satz verschränkt. Der Satz beginnt im schwermütigen Duktus eines Grave ed appassionato und in der weit entfernten Tonart cis-Moll. Brahms hat sich für das Thema einer Sarabande für Klavier bedient, die er schon als 22-Jähriger geschrieben hatte. Auch der zweimalige Scherzo-Einschub, ein durch Synkopen raffiniert hemiolisch verschobenes Allegretto vivace im 6/8Takt, beruht auf einem frühen Klavierstück, einer Gavotte. Beide Teile strahlen eine kaum zu beschreibende Faszination aus – auf der einen Seite melancholisch bis zur Resignation, auf der anderen absichtslos heiter, im wahrsten Sinne „unbeschwert“.

Das Finale knüpft in seiner Kombination aus konzertantem Stil und Fuge an Mendelssohns Oktett, aber auch an gewisse Finalsätze Mozarts an (G-Dur-Quartett KV 387), ist jedoch mit den für Brahms charakteristischen rhythmischen Komplikationen übersät. Der barocke Dreihalbetakt geht am Ende in den noch komplizierteren Neunachtel über.

2003
JOHANNES BRAHMS
Streichquintett F-Dur, op. 88

Die beiden Streichquintette von Johannes Brahms, F-Dur, op. 88, und G-Dur, op. 111, gehören in die späte Schaffensphase des Komponisten. Sie wurden 1882 bzw. 1890 in Bad Ischl komponiert. Die idyllische Alpenlandschaft des Salzkammerguts hat in der klangsinnlichen Aura der beiden Werke spürbar ihre Spuren hinterlassen. Brahms selbst, sonst eher zurückhaltend mit eindeutig positiv gestimmten Äußerungen, nannte sein F-Dur-Quintett „ein Frühlingsprodukt“. Sein zur Ausschmückung neigender erster Biograph Max Kalbeck sprach gar von einem „Kind des würzigen Ischler Mais“. Wer jemals den Frühling im Salzkammergut erlebte, wird verstehen, wovon beide sprachen.

Nach dem misslungenen Versuch, schon in jungen Jahren ein Streichquintett zu schreiben – es war jenes Werk, das Brahms später in sein Klavierquintett, op. 34, umgewandelt hat – ließ sich der Komponist mit der Gattung Zeit. Das Vorbild der Streichquintette von Mozart, die Brahms über alles liebte und als Musterbeispiele vollendeter Formgestaltung pries, mag ihn eher eingeschüchtert denn ermutigt haben. Ferner galt es, die von dem Geigerfreund Joseph Joachim an dem frühen Quintett gerügten klanglichen Härten zu überwinden.

Im F-Dur-Quintett ist Brahms beides so vollendet gelungen, dass das Werk spontan zu einem Lieblingsstück seiner Freunde und des Publikums avancierte. Selbst der hartnäckigste Kritiker des Komponisten in Wien, der junge Hugo Wolf, streckte vor dem Werk die Waffen. Er meinte, mit dem Erklingen des ersten Satzes gelange man „in eine freie, sonnige Aue, worin sichs an der Hand des kundigen Komponisten gar herrlich erging“. In der Tat stecken die Klangschönheit des 1. Satzes und die behagliche Atmosphäre, die seine Themen ausstrahlen, zu poetischen Vergleichen an. Dahinter verbirgt sich jedoch – wie stets bei Brahms – ein Netz motivischer Verknüpfungen, wie man es sich enger nicht vorstellen kann.

Auf den pastosen Gesang des Hauptthemas, der im Mittelstimmenklang der Bratschen und über dem Cellobass wie auf Samt gebettet erscheint, folgt ein kerniges Motiv im punktierten Rhythmus, sozusagen das „Entwicklungsmotiv“ des Satzes. Noch schöner als zu Beginn geben sich die Beteiligten dann im Seitenthema dem runden Quintettklang hin. Die schwebende, über Triolen vorangetragene Weise erinnert an die schönsten Brahmslieder jener Zeit. Trotz dunkel-dramatischer Exkurse, die vornehmlich aus dem eckigen Überleitungsmotiv entstehen, bleiben die beiden Themen für den Satz beherrschend.

Der 2. Satz enthält eines der bei Brahms seltenen Formexperimente: langsamer Satz und Scherzo sind in hier zu einem Satz vereint. Das Thema des langsamen Teils, Grave ed appassionato (Schwer und leidenschaftlich) überschrieben, geht auf eine Sarabande für Klavier zurück, die Brahms schon mit 22 Jahren geschrieben hatte und nun wieder verwendete. Ihr barockisierender Duktus verleiht dem Satz eine Aura tiefer, grüblerischer Stagnation, die im wirkungsvollen Kontrast sowohl zum ersten Satz als auch zu den quicklebendigen Scherzo-Einsprengseln steht. Auch letztere beruhen auf einem barockisierenden Klaviersuitensatz des jungen Brahms, einer Gavotte. Beide Teile strahlen eine kaum zu beschreibende Faszination aus: auf der einen Seite melancholisch bis zur Resignation, auf der anderen absichtslos heiter, im wahrsten Sinne „unbeschwert“.

Das Finale knüpft in seiner Kombination aus konzertantem Stil und Fuge an eine Finalidee Mendelssohns an, der man etwa im Oktett begegnet. Bei Brahms freilich ist die Fuge mit den für ihn charakteristischen rhythmischen Komplikationen übersät. Der barocke Dreihalbetakt geht am Ende in der schnellen Coda in den modernen, walzer-verdächtigen Neunachtel-Takt über.

2005
JOHANNES BRAHMS
Streichquintett F-Dur, op. 88

Die beiden Streichquintette von Johannes Brahms, F-Dur, op. 88, und G-Dur, op. 111, gehören in die späteren Schaffensjahre des Komponisten. Sie wurden 1882 bzw. 1890 in Bad Ischl komponiert und sollen von der idyllischen Alpenlandschaft dieses Ortes inspiriert sein. Brahms selbst nannte sein F-Dur-Quintett „ein Frühlingsprodukt“, sein zur Ausschmückung neigender Biograph Max Kalbeck sprach von einem „Kind des würzigen Ischler Mais – eine Metapher, die man durchaus auch jenseits des Salzkammerguts im nicht weniger „würzigen“ rheinischen Frühling auf ihre Stimmigkeit überprüfen kann.

Nach dem misslungenen Versuch, schon in jungen Jahren ein Streichquintett zu schreiben – es war jenes Quintett mit zwei Celli, das Brahms zuerst in ein Klavierduo, dann in sein Klavierquintett (op. 34) umgewandelt hatte – ließ sich der Komponist mit der Gattung Zeit. Das Vorbild der Streichquintette Mozarts, die Brahms über alles liebte und oft als Musterbeispiele vollendeter Formgestaltung pries, mag ihn eher eingeschüchtert denn ermutigt haben. Ferner galt es, die von dem Geigerfreund Joseph Joachim an dem frühen Quintett gerügten klanglichen Härten zu überwinden. Im F-Dur-Quintett ist Brahms beides so vollendet gelungen, dass das Werk spontan zu einem Lieblingsstück seiner Freunde und des Publikums avancierte. Selbst der hartnäckigste Kritiker des Komponisten in Wien, der junge Hugo Wolf, streckte vor dem Charme dieses Werkes die Waffen. Er meinte, mit dem Erklingen des ersten Satzes gelange man „in eine freie, sonnige Aue, worin sichs an der Hand des kundigen Komponisten gar herrlich erging“. In der Tat stecken die Klangschönheit des 1. Satzes und die behagliche Atmosphäre, die seine Themen ausstrahlen, zu poetischen Vergleichen an. Dahinter verbirgt sich jedoch – wie stets bei Brahms – ein Netz motivischer Verknüpfungen, wie man es sich enger nicht vorstellen könnte.

Der 2. Satz enthält eines der bei Brahms seltenen Formexperimente: langsamer Satz und Scherzo sind zu einem Satz verschränkt. Der Satz beginnt im schwermütigen Duktus eines Grave ed appassionato und in der weit entfernten Tonart cis-Moll. Brahms hat sich für das Thema einer Sarabande für Klavier bedient, die er schon als 22-Jähriger geschrieben hatte. Auch der zweimalige Scherzo-Einschub, ein durch Synkopen raffiniert hemiolisch verschobenes Allegretto vivace im 6/8Takt, beruht auf einem frühen Klavierstück, einer Gavotte. Beide Teile strahlen eine kaum zu beschreibende Faszination aus – auf der einen Seite melancholisch bis zur Resignation, auf der anderen absichtslos heiter, im wahrsten Sinne „unbeschwert“.

Das Finale knüpft in seiner Kombination aus konzertantem Stil und Fuge an Mendelssohns Oktett, aber auch an gewisse Finalsätze Mozarts an (G-Dur-Quartett KV 387), ist jedoch mit den für Brahms charakteristischen rhythmischen Komplikationen übersät. Der barocke Dreihalbetakt geht am Ende in den noch komplizierteren Neunachtel über.