Serenade D-Dur, op. 11 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Serenade D-Dur, op. 11

Serenade Nr. 1 D-Dur für kleines Orchester, op. 11, Urfassung für 9 Instrumente (Rekonstruiert von Jorge Rotter)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 377

Satzbezeichnungen

1. Allegro molto

2. Scherzo. Allegro non troppo -Trio. Poco più moto

3. Adagio non troppo

4. Menuetto I und II

5. Scherzo. Allegro

6. Rondo. Allegro

Erläuterungen

Johannes Brahms trat, 24jährig, im Sommer 1857 eine Stelle als fürstlicher Klavierlehrer und Chorleiter in der Lippeschen Residenzstadt Detmold an. Neben einer Fülle weltlicher Chormusik verdanken wir diesem Engagement die beiden Orchesterserenaden, op. 11 und 16, die Brahms für die im Residenztheater stattfindenden Abonnementskonzerte komponierte. „Einen großen Teil seiner freien Zeit hatte Brahms in Detmold auf das fleißige und fast alleinige Studium Haydnscher Orchesterpartituren verwendet… Da überdies die vorzüglichen Bläser der Detmolder Hofkapelle beim Vortrage Mozartscher Serenaden ihm ein neues Reich zauberischer Klangwirkungen erschlossen und dem Lernbegierigen bequeme Gelegenheit verschafften, sich näher mit der Natur und dem Gebrauch ihrer Instrumente zu befreunden, so sah er sich in seiner Absicht, zur durchsichtigen Klarheit und Einfachheit instrumentaler Musik durchzudringen, gleichsam von verschiedenen Seiten auf einmal aufgefordert, unterstützt und bestärkt. Der Charakter seiner ersten Serenade … schwankt zwischen der Gattung, zu der sie sich bekennt, der Symphonie und der Kassation hin und her… Ursprünglich wollte er eine Kassation, d. h. eine Musik leichteren Genres, ein Oktett für ein kleines, einfach besetztes Orchester schreiben… Der Symphoniker aber regte sich in ihm und durchkreuzte den Plan; seine Gedanken verlangten reichere Instrumentation und breitere Entwicklung“. (Max Kalbeck)

Diesen Entstehungsprozess der D-Dur-Serenade hat Jorge Rotter 1987 rückgängig gemacht, indem er die Urfassung für neun Instrumente rekonstruierte, die 1859 in Detmold aufgeführt wurde, aber nicht erhalten ist. Rotter schrieb dazu: „Je tiefer man sich in die Orchesterfassung versenkt, desto klarer wird, wieviel Brahms von der ursprünglichen Nonettfassung bewahrte… Da die Orchesterfassung Brahms‘ Intentionen getreu widerspiegelt, diente sie als alleinige Quelle unserer Rekonstruktion.“

In der kammermusikalischen Fassung sind die Verläufe noch klassisch-klarer als im Original, kommt der Charakter einer von den Bläsern dominierten konzertanten Musik unverstellt zur Geltung. wird die Nähe zur Welt der Divertimenti alla KV 131 noch deutlicher, Dies gilt auch und gerade, was die Form der Serenade betrifft. Hier hat sich Brahms von der bunten Welt der klassischen Divertimenti anregen lassen, was gerade im Vergleich mit einem frühen Mozart wie KV 131 deutlich wird. Das einleitende Allegro und das galoppartige Rondo-Finale umschließen ein buntes Gewirr und Geflirr von Tanzrhythmen, die das Adagio umklammern. Manche altertümelnde Menuett-Melodie wurde von Brahms hier in die reiche Harmonik und die Vorhalte seines eigenen Stils eingekleidet und mit Anklängen an Schubert vermählt. Wo im vierten Satz das Menuett aufhört und der Ländler beginnt, bleibt offen. Manches wirkt geradezu wie ein Stilzitat. Wenn gleich zu Beginn das Horn über dem Bordun der Streicher ein Haydneskes Thema anstimmt, ist das große Vorbild des Sinfonikers aus Esterháza nicht zu überhören. Lediglich im ersten Scherzo in d-Moll und im norddeutsch-kühlen Adagio, einer Art nüchternem Notturno, ist Brahms hinter der klassizistischen Maske hervorgetreten und ganz er selbst geblieben.