"Pierrots Galgengesänge" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Volker David Kirchner

"Pierrots Galgengesänge"

„Pierrots Galgengesänge“ für Klarinette solo

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3774

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2002
VOLKER DAVID KIRCHNER
Pierrots Galgengesänge

Zeitgenössische Musik für einen Virtuosen? Nach den strengen Gesetzen der Avantgarde würde man den Wunsch eines Solisten nach virtuoser Selbstdarstellung und die Ansprüche der Neuen Musik für unvereinbar halten. In Wirklichkeit hat gerade die Sololiteratur für Holzbläser von der Neuen Musik profitiert. Neue Spieltechniken, der experimentelle Umgang mit Ansatz, Atem- und Klappengeräusch, die in der Avantgarde stets latente theatralische Komponente verschafften den Flötisten, Oboisten, Klarinettisten und Fagottisten ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten. Berios Sequenze und Stockhausens Klarinettenstücke sind nur die bekanntesten in jener Serie moderner Holzbläser-Stücke.

Auch Volker David Kirchners Galgengesänge sind einem Virtuosen gewidmet: Ulf Rodenhäuser. Die beiden verbindet eine langjährige Freundschaft, die wesentlich mit ihrem Einsatz für die Villa Musica zusammenhängt. Daraus entstand der Wunsch des Münchner Klarinettenprofessors, ein Solostück von dem Mainzer Komponisten zu erhalten. Kirchner schrieb das Solo 2001 als Nachtrag zu seinem Vierten Streichquartett, wo die Klarinette als Echostimme in einem Satz vorkommt. Nachträglich fügte er einen Solosatz für Klarinette in das Quartett ein, der auch losgelöst aufgeführt werden kann. In dieser Form erleben Pierrots Galgengesänge in unserem Konzert ihre Uraufführung durch den Widmungsträger Ulf Rodenhäuser.
„Das Genrebild eines Verrückten“ hat Volker David Kirchner dieses Klarinettensolo genannt, dessen Titel auf den Pierrot der Commedia dell’arte verweist, und zwar so, wie ihn Schönberg in Pierrot lunaire dargestellt hat: als zugleich düstere und groteske Gestalt in einer gespenstischen Szenerie. Ausschlaggebend für Kirchner waren jedoch nicht die Texte von Schönbergs Melodramenzyklus, sondern eine Textpassage aus Mahlers Lied von der Erde: „Seht doch hinab! Im Mondschein auf den Gräbern hockt eine wild-gespenstische Gestalt! Ein Aff‘ ist’s! Hört ihr, wie sein Heulen hinausgellt in den süßen Duft des Lebens…“. Es war dieses Bild, das Kirchner nach eigenem Bekenntnis zu den Galgengesängen inspirierte. Er verarbeitete darin Träume und Alpträume, die ihn in seiner Jugend verfolgten. „Die Angst, die Trauer und das Groteske liegen nahe beieinander, auch in diesem Stück. Es kommen stammelnde Passagen vor, wie von einem Verrückten gesprochen, eine Art verrückt gewordenes Pizzicato auf der Klarinette. Das Stück ist sehr schwer.“