Klaviertrio Nr. 2 C-Dur, op. 87 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Klaviertrio Nr. 2 C-Dur, op. 87

Trio Nr.2 C-Dur für Klavier, Violine und Violoncello, op. 87

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 393

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante con moto

3. Scherzo. Presto – (Trio). Poco meno presto

4. Finale. Allegro giocoso

Erläuterungen

Die Dekade 1876-1885 bildet im Schaffen von Johannes Brahms das sinfonische Jahrzehnt. Neben seinen vier Sinfonien, den beiden Ouvertüren, dem Violin- und dem 2. Klavierkonzert enstanden damals nur ganz wenige Kammermusiken. Der Sommer 1882, den Brahms im lieblichen Salzkammergut in Bad Ischl verbrachte, führte zu einem solchen Intermezzo kammermusikalischer Art. Damals entstanden das 1. Streichquintett, op. 88, und das 2. Klaviertrio, op. 87. Während ersteres als Wunder an Klangschönheit gilt, gehört letzteres zu den am wenigsten verstandenen Werken von Brahms.

Um seine formalen und klanglichen Besonderheiten zu würdigen, muss man bedenken, dass es in unmittelbarer Nähe zum 1881 vollendeten 2. Klavierkonzert entstand. Es bildet dessen kammermusikalisches Gegenstück, sowohl, was den raumgreifenden Klavierpart, als auch was die Breite und Komplexität der Formen betrifft.

Wie im Klavierkonzert beginnt der erste Satz (Allegro) mit einem lakonisch knappen Hauptthema. Es wird sogleich in ein harmonisches Vexierspiel verstrickt und von träumerischen Klangfeldern abgelöst, wie im Kopfsatz des Konzerts. In dieser Weise schweifen die Themen immer wieder ab und verwandeln sich unversehens in Neues. Donald Tovey nannte sie „knappe Aussagen mit einem unendlichen Potential zur Erweiterung“. Auch das zweite Thema ist eine solche lakonische Aussage, quasi das Fragment eines Ländlers über pulsierenden Triolen. Nach etlichen „Erweiterungen“ gewinnt es endlich in einer Dolce-Melodie Kontur, die sich gleich darauf in einen wuchtigen, orchestralen Ausbruch in a-Moll verkehrt. Dieses Motiv im punktierten Rhythmus beherrscht die dramatische Durchführung, in deren zweitem Teil das Hauptthema im Tempo beschleunigt auftritt. Nur selten hat Brahms zu diesem Mittel der Tempomodifikation gegriffen. Hier dient es dazu, dem Hauptthema eine neue schwärmerische Note abzugewinnen, die sich dem dramatischen Mollmotiv entgegenstemmt. Bis zur Coda, wo sich beide Elemente überlagern, bleibt dieser Konflikt unaufgelöst. Dazwischen verebbt die Energie immer wieder in kleinen Kadenzen, Generalpausen oder träumerischen Arpeggi. Brahms hat keinen zweiten Sonatensatz geschrieben, der zwischen zartem Klangspiel, ständigem Modulieren und wuchtiger Dramatik so rhapsodisch zu pendeln scheint, während er gleichzeitig ein Diskurs über die Intervalle des Hauptthemas ist.

Es war wohl dieser eigenwillige Kopfsatz, der das Verständnis für das C-Dur-Trio von vornherein erschwerte. Brahms schrieb den Satz bereits 1880, und zwar parallel zum Kopfsatz eines weiteren Klaviertrios in Es-Dur, das seinen Freunden besser gefiel als das in C. Dennoch vernichtete er den Es-Dur-Satz und erweiterte den ungeliebten C-Dur-Satz 1882 zum viersätzigen Trio. Seine Freunde dankten es ihm nicht. Nach einem weihnachtlichen Durchspielen notierte Clara Schumann in ihr Tagebuch: „Auch das Trio wurde probiert, so sehr ich aber bei einzelnem schwärme, so habe ich vom Ganzen keinen befriedigenden Eindruck, außer vom Andante, das wundervoll ist. Schade doch, daß er zuweilen nicht mehr feilt, flaue Stellen herauswirft.“ Gegenüber dem „auto-hyperkritischen“ Brahms, wie ihn sein Freund Billroth nannte, war dieser Vorwurf unbegründet. Eher schon deutet sich in Claras Reaktion Unverständnis für die Besonderheiten des Trios an. Es wurde noch verstärkt durch Brahms´ eigenen Vortrag des Klavierparts, über den sie sich ungnädig äußerte: „Leider nur spielt Brahms immer schrecklicher – es ist nichts mehr als ein Schlagen, Stoßen, Grabbeln!“

Brahms` Biograph Max Kalbeck deutete das C-Dur-Trio in der blumigen Hermeneutik der Ära folgendermaßen: „Das dämonische Element behauptet sich in allen vier Sätzen des Trios; neben der Licht- erscheint manchmal unvermittelt die Nachtseite der menschlichen Natur, zuweilen aber breitet sich eine aus beiden gemischte Dämmerung aus, welche die Zeit aus den Angeln heben und die Gegenstände im Raume vertauschen möchte. Damit zielen wir besonders auf das unheimliche c-Moll-Scherzo… Das Andante mit Variationen verdient der schönste und dankbarste Satz des Werkes … genannt zu werden.“

Tatsächlich sind die beiden Moll-Mittelsätze leichter verständlich als der Kopfsatz. Im Andante spielen die Streicher, vom Klavier wie von einem Zymbal begleitet, ein ungarisches Thema von leidenschaftlichem Duktus, das mit einem fragenden Halbschluss endet. In den ersten beiden Variationen wird es vom Klavier erst in eine zögerliche Geste verwandelt, dann in ein chopinhaftes Nocturne. In der dritten Variation haben die Streicher ihren Agitato-Ausbruch, in der vierten weicht er einem lieblichen Durgesang. Die Schlussvariation, die sich zur Coda weitet, gibt dem Cello Raum für eine herrliche Kantilene. Hier endlich wird das Thema auch harmonisch geschlossen.

Das c-Moll-Scherzo wirkt wie eine brahmssche Fantasie über schubertsche Motive (G-Dur-Streichquartett, Gruppe aus dem Tartarus). Der leggiero-Anschlag des Klaviers stellt höchste Anforderungen, während sich das C-Dur-Trio wie eine „weiße Wolkenbank“ (Tovey) in der Mitte des Satzes ausbreitet.

Das Finale kehrt zwar nach C-Dur zurück, tut dies jedoch in einer gewissermaßen über-robusten Weise. Das Giocoso dieses Allegro mit seiner übermäßigen Quart im Thema hat Brahms genüsslich ausgekostet und dem Pianisten dabei genügend Gelegenheit verschafft, mit „Schlagen, Stoßen und Grabbeln“ auf dem Flügel zarte Seelen wie Clara Schumann zu verschrecken. Die unbarmherzig konsequente Durchführung der Motive gipfelt in einem „Schluss von großartiger Klangfülle“ (Tovey). Das Trio wurde ausnahmsweise nicht in Wien uraufgeführt, sondern im 5. Kammermusikabend der Frankfurter Museumsgesellschaft 1882.