"In Memoriam: Die weiße Rose" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Hans Werner Henze

"In Memoriam: Die weiße Rose"

„In Memoriam: Die weiße Rose“ (1926) für Flöte, Englischhorn, Bassklarinette, Fagott, Horn, Trompete, Posaune und Streichquintett

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3888

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2000
HANS WERNER HENZE In Memoriam: Die weiße Rose
Man wäre vielleicht versucht, ein Werk des Kommunisten Henze aus den 60er-Jahren mit einer auf den Nationalsozialismus bezogenen Thematik mit Skepsis zur Kenntnis zu nehmen. Doch die schlichte Art, in der Henze seine Fuge für 12 Instrumente zur Erinnerung an die Widerstandsgruppe Die weiße Rose rechtfertigte, wirkt entwaffnend ehrlich, zumal im historischen Zusammenhang mit der antifaschistischen Bewegung in Europa, speziell in Italien: „Während ich im Winter 1964/65 an der Komposition der ‚Bassariden‘ arbeitete, schrieb ich dieses Werk als Beitrag zum Kongress der Europäischen Antifaschistischen Widerstandsbewegung, der im März 1965 in Bologna stattfand. Ich wollte die Gelegenheit wahrnehmen, das Publikum an eine der Gruppen zu erinnern, die der Naziregierung innerhalb Deutschlands aktive Resistenz geleistet haben. Die Bewegung nannte sich ?Die weiße Rose? und dieser Name erschien auf den vielen antifaschistischen Broschüren, die ihre Gründer, die Studenten Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willy Graf und der Münchner Unlversitätsprofessor Kurt Huber verfassten. Die Bewegung betätigte sich zuerst 1942 in München, verbreitete sich aber bald in anderen Großstädten und zählte mehr als hundert Mitglieder. Ein Jahr darauf wurden die Gründer verhaftet, vor Gericht gebracht, verurteilt und hingerichtet. Sie verteidigten sich mutig und starben stolz für ihre Ideale. Mein Werk ihnen zu Ehren ist eine Doppelfuge, die, wie deutlich erkennbar, von den Strukturen in Bachs ?Musikalischem Opfer? inspiriert und in diesem Sinne komponiert ist.“ Auf das Ricercar a 6 aus dem Musikalischen Opfer weist Henzes Fuge durch ihren Adagio-Duktus, die starke Chormatik und die Aura einer vergeistigten Fugentechnik hin.
Die Besetzung vereinigt drei Instrumentengruppen: das Bläserquintett, aber mit Englischhorn und Bassklarinette statt Oboe und Klarinette, das Streichquintett mit Kontrabass sowie Trompete-Posaune als Blechbläserduo. Der daraus entstehende Spaltklang verweist auf die Wiener Schule, insbesondere auf die Webern-Bearbeitung von Bachs Ricercar a 6.