Septett d-Moll, op. 74 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johann Nepomuk Hummel

Septett d-Moll, op. 74

Septett d-Moll, op. 74

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3954

Satzbezeichnungen

1. Allegro con spirito

2. Menuetto o Scherzo

3. Andante con variazioni

4. Vivace

Erläuterungen

2000
JOHANN NEP. HUMMEL
Septuor (Septett), op. 74

Bei Hummels d-Moll-Septett handelt es sich um eines der wichtigsten Kammermusikwerke des 19. Jahrhunderts. Kein Geringerer als Hans von Bülow, Brahmsfreund, Wagnerdirigent und Klaviervirtuose, nannte es eines der bedeutendsten Stücke Klavierkammermusik, die jemals geschrieben wurden – deutliches Anzeichen für die Popularität des Werkes damals, während es heute so gut wie nie im Konzert saal erklingt.

Dass Hummel in seiner Klavier- und Kammermusik der Romantik den Weg bahnte, scheint heute in Vergessenheit geraten zu sein. Robert Schumann hielt seine fis-Moll-Klaviersonate noch für bedeutend genug, „den Meister unsterblich zu machen“, während man Hummels Werke heute der Virtuosenmusik zuzurechnen beliebt. In der Tat war der Ungar Hummel 1786 als klavierspielendes Wunderkind nach Wien gekommen, von Mozart unterrichtet worden und als dessen Meisterschüler zum bedeutendsten Klaviervirtuosen Europas aufgestiegen. Daneben war er aber auch Hofkapellmeister in Esterháza, Stuttgart und Weimar, wo er Werke in allen Genres außer der Oper komponierte.
Hummels Kammermusik ist bedeutend genug, um sie der Vergessenheit zu entreißen, was Villa Musica schon gelegentlich versuchte. Neben dem 1816 komponierten Septuor d-Moll erklangen in Villa Musica-Konzerten bereits das Septuor militaire, op. 114, und das Klavierquintett es-Moll, op. 87. Für Opus 74 standen, wie gesagt, zwei Fassungen zur Wahl: die originale Fassung für sieben Instrumente und Hummels eigene Quintettbearbeitung, die Schubert als Vorlage für das Forellenquintett benutzte. Wir entschieden uns für die farbige Septettfassung, die ohne Violine auskommt, dafür so romantische Klangfarben wie Horn, Viola und Cello profiliert und mit Flöte und Oboe fast schon sinfonisch instrumentiert ist.

Das Werk zeigt annähernd den gleichen formalen Aufbau wie Schuberts Forellenquintett, wenn auch ein fünfter Satz fehlt. Die Harmonik ist ähnlich gewagt und weitausgreifend. So beginnt die Durchführung des ersten Satzes im entlegenen Fis-Dur, während das marsch-artige Seitenthema des Horns in F-Dur und die Schlussgruppe in Des-Dur stehen.
Als zweiter Satz folgt hier, anders als bei Schubert, sogleich das Scherzo, das Hummel etwas zögerlich noch als „Menuetto“ bezeichnet hat, obwohl es im stürmischen Charakter dem d-Moll-Kopfsatz folgt. Das kontrastierende D-Dur-Trio mit seinen neckischen Arpeggi wechselt zweimal mit dem Hauptteil ab, so dass die fünfteilige Scherzoform Beethovens entsteht.

Der dritte Satz entspricht der Rolle des „Forellensatzes“ in Schuberts Quintett. Es handelt sich um ein Andante mit vier Variationen, von denen eine in f-Moll steht, die folgende in hochromantischen Modulationen zur Coda überleitet.

Das Rondo in d-Moll enthält alles, was man von einem anspruchsvollen Finale erwarten darf: ein rhythmisch mitreißendes Rondothema, ein Fugato als Überleitung, ein singendes Dur-Seitenthema und mehrere Ansätze, zur Variante D-Dur „durchzubrechen“, die aber am Ende doch in einen d-Moll-Schluss münden. Der Klavierpart dieses Satzes ist, wie in den vorangehenden, hochvirtuos und verrät Hummels technische Brillanz in jedem Takt, freilich nicht auf Kosten der kammermusikalischen Durcharbeitung.