Duett e-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wilhelm Friedemann Bach

Duett e-Moll

Duett e-Moll

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4114

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Larghetto

3. Vivace

Erläuterungen

2005
WILHELM FRIEDEMANN BACH
Duett e-Moll

Unser Bild des ältesten Sohnes von Johann Sebastian Bach wird noch heute von romantischen Verzerrungen geprägt, wie sie der Künstlerroman Friedemann von Brachvogel und der betreffende UFA-Film mit Gustav Gründgens in der Hauptrolle in die Welt setzten. Hochbegabt, aber unfähig, sich vom übermächtigen Schatten des Vaters zu lösen, habe sich “Friede” (so sein Spitzname im Kreis der Familie) von einer anfangs glänzenden Laufbahn in Dresden zunehmend ins künstlerische und menschliche Abseits manövriert – eine im romantischen Sinne gescheiterte Existenz.

Gegen solche Überzeichnungen hat jüngst der Musikwissenschaftler Peter Wollny für die Neuausgabe der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart ein unsentimentales Bild von Friedemann Bach entworfen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß sich Friedemann zu Beginn seiner Laufbahn hauptsächlich auf die Karriere als Virtuose konzentriert habe und erst später, als Organist an der Dresdner Sophienkirche und an der Hallenser Liebfrauenkirche, ernsthaft mit dem Komponieren begonnen habe. Auch in seinen Werken dominiere anfangs, so Wollny, der virtuose Zuschnitt, später dann eine sehr eigenwillige Synthese aus dem Kontrapunkt seines Vaters und den modischen Tendenzen der galanten Zeit. In dieser Verbindung sei Bachs Musik aber durchaus einzigartig.

Dieses Urteil bestätigen die sechs Duette für zwei Flöten, die Bach wohl in seiner Hallenser Zeit nach 1746 geschrieben hat. Dem ersten Satz des e-Moll-Duetts merkt man an, dass Friedemann in seiner Jugend durch die Schule der zweistimmigen Inventionen seines Vaters gegangen war. Wie in diesen Cembalostücken, so findet man auch hier einen dauernden kontrapunktischen Austausch von Motiven und ein enges Netz aus Dissonanzbildungen und ihren Auflösungen. Um 1750 war dieser Stil bereits altmodisch, für den Zeitgeschmack zu kompliziert, zumal er sich mit einer höchst eigenwilligen Expressivität verbindet, wie es besonders der langsame Satz des Duetts zeigt. Er ist ein Gegenstück zu den Mittelsätzen der Orgeltriosonaten des Vaters, die für “Friede” geschrieben wurden. In ihrem kontrapunktischen und harmonischen Reichtum, ihrem Vorstoßen in ungewohnte Tiefen des Ausdrucks sind die Flötenduette Friedemanns die bedeutendsten Werke dieses Genres im 18. Jahrhundert.