2. Streichquartett a-Moll, op. 35 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Anton Arensky

2. Streichquartett a-Moll, op. 35

Quartett für Violine, Viola und zwei Violoncelli a-Moll, op. 35

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4213

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Ein Streichquartett ist für gewöhnlich mit zwei Violinen, Viola und Violoncello besetzt. Der russische Spätromantiker Anton Arensky gehörte zu den wenigen Komponisten, die diese eiserne Regel durchbrachen: In seinem 2. Streichquartett a-Moll Opus 35 verdoppelte er nicht etwa die Violinen, sondern die Celli. Einem Paar „hoher“ Streicher aus Violine und Viola stehen also zwei „tiefe“ Streicher gegenüber, wobei sich das erste Cello immer wieder in singende Alt- und Tenorlagen aufschwingt – ganz so wie sein Pendant im Streichquintett von Schubert. Da Arensky der Sohn eines Cello spielenden Arztes war, konnte er die Bedeutung des Instruments in der Kammermusik seiner Zeit und dessen Klangwirkungen besonders genau einschätzen.

Für den extravaganten Klang dieses bewegenden Stückes gibt es einen besonderen Grund: es entstand als Quartett „in Memoriam“. Über vielen russischen Kammermusiken des späten 19. Jahrhunderts – Klaviertrios wie Streichquartetten – prangt eine Widmung „À la memoire de …“, denn zum Gedenken an verstorbene Freunde oder Komponistenkollegen griffen die Russen vorzugsweise zu dem intimen Genre, seit Tschaikowsky sein großes a-Moll-Trio „Dem Gedenken an einen großen Künstler“ gewidmet hatte (À la memoire d’un grand artiste). Ging es in seinem Falle um seinen Freund und Förderer Nikolaj Rubinstein, so verfassten spätere Komponisten wie der junge Sergej Rachmaninoff ihrerseits Trios und Quartette zum Gedenken an Tschaikowsky. In eben dieser Tradition steht auch das 2. Streichquartett von Anton Arensky, das 1894 zum Gedenken an Tschaikowsky geschrieben wurde.

Sein Komponist ist heute fast vergessen, obwohl er als Meisterschüler von Nikolaj Rimsky-Korsakoff, als Freund von Tschaikowsky und Lehrer so berühmter Schüler wie Rachmaninoff und Skrjabin zu den prominentesten Figuren des russischen Musiklebens um die vorletzte Jahrhundertwende zählte. Mit Neid blickte sein Lehrer Rimsky-Korsakoff auf die finanzielle Unabhängigkeit des einstmaligen Schülers, der einem reichen Elternhaus entstammte und auch später in eine entsprechend gut dotierte staatliche Stellung als Leiter der St. Petersburger Hofsängerkapelle aufrückte: „Er galt als Beamter des Hofministeriums und bezog fünf- bis sechstausend Rubel Pension“, damals eine stattliche Summe. Leider hat Arensky dieses Geld am Spieltisch allzu leichtfertig vertan und durch seine Trunksucht auch seine Gesundheit zerrüttet. Bereits 1906 starb er im Alter von 44 Jahren.

Sein nicht allzu umfangreiches Oeuvre enthält neben Chormusik und Liedern insgesamt drei Opern, ein Ballett, zwei Sinfonien, je ein Klavier- und Violinkonzert und einige bedeutende Kammermusikwerke. Unter ihnen ragen das 1. Klaviertrio und das 2. Streichquartett heraus. Für diese beiden frühen Kammermusikstücke gilt noch nicht, was man Arensky später nachsagte: „salonartige Glätte, makellose, gleichsam elegante Formen und eine lyrisch-elegische Haltung“ (Dorothea Redepenning). Vielmehr handelt es sich gerade beim a-Moll-Quartett um eine Elegie mit durchaus dramatischen Zügen.

Arensky verwendete hier wie sein Schüler Rachmaninoff Begräbnisgesänge der russisch-orthodoxen Kirche, und zwar im ersten und letzten Satz. Im Finale kommt ein weiteres Thema der russischen Tradition hinzu, jenes Volkslied „Slava!“, das auch Beethoven in einem seiner Rasumowsky-Quartette verarbeitet hatte. Der langsame Satz besteht aus Variationen über eines der „Kinderlieder“ von Tschaikowsky. Als alleinstehendes Werk für Streichorchester ist dieser Satz bekannter geworden als das a-Moll-Quartett selbst.