Trio A-Dur, op. 264 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Carl Reinecke

Trio A-Dur, op. 264

Trio A-Dur für Klarinette, Viola und Klavier, op. 264

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4246

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Carl Reinecke
Trio A-Dur, op. 264

„Ich bin mir ganz klar darüber, dass ich in der Gegenwart keine Rolle mehr spiele“, vermerkte nüchtern und ohne Anflug von Sentimentalität der Komponist Carl Reinecke am Ende eines langen arbeitsreichen Lebens. 35 Jahre, länger als jeder andere Dirigent, hatte der geborene Hamburger das Gewandhausorchester in Leipzig geleitet und daneben am Konservatorium der Stadt gelehrt, dessen Direktor er von 1897 bis 1902 war. Damit war er gleich doppelt in die Fußstapfen Felix Mendelssohns getreten, der beide Institute zu dem gemacht hatte, was sie heute noch sind.

Reinecke trat aus dem Schatten des großen Vorgängers mit Selbstbewusstsein heraus: Als souveräner Dirigent, Musikschriftsteller und Lehrer war er eine Autorität. Im zähen Ringen mit den konservativen Leipziger Bürgern gelang es ihm sogar, gewagtere Programme und flexiblere Strukturen im Gewandhaus durchzusetzen. Daneben konzertierte er als Pianist auf vielen Podien der Welt und wurde zu einer Institution des deutschen Musiklebens – über etliche Jahrzehnte hinweg. 1909 schrieb er darüber in seiner Autobiographie Erlebnisse und Bekenntnisse: „Der Himmel hat mir den Vorzug beschieden, ein hohes Alter zu erreichen, und so durfte ich mich des unverdienten Glückes erfreuen, gar manche schöne Gedenktage zu feiern – zunächst ein 25jähriges Jubiläum als Dirigent der Gewandhaus-Konzerte, dann am 23. November 1893 den Tag, an welchem ich vor 50 Jahren zum ersten Male als Klavierspieler im selben Institute auftrat, ferner meinen 70. und am 23. Juni 1904 meinen 80. Geburtstag.“

In jenen späten Jahren hatte sich der Meister fast gänzlich vom Musikleben zurückgezogen und konzertierte nur noch selten. 1903 folgte der 79-Jährige einer Einladung der Gewandhaus-Direktion, noch einmal im berühmtesten Leipziger Konzertsaal aufzutreten, wo er so lange als Dirigent gewirkt hatte. In seinen Erinnerungen berichtete er von jenem Abend in der für ihn typischen lakonischen Nüchternheit: „In dieser Soiree spielte ich mein kurz zuvor vollendetes Trio op. 264 für Klavier, Klarinette und Viola. Der Saal war bei dieser Gelegenheit ausverkauft, das Publikum suchte mir seine Sympathien zu bekunden in der denkbar liebenswürdigsten Weise, und die Konzert-Direktion übersandte mir ein sehr hohes Honorar.“ Weitere Gelegenheiten, das in Leipzig so gut aufgenommene Trio zu spielen, ergaben sich in Hamburg, wo der aus Altona stammende Reinecke in seinen letzten Lebensjahren besonders ehrenvoll empfangen wurde. Der Hamburger Tonkünstler-Verein lud ihn ein, „fast regelmäßig gegen Ende der Wintersaison“ einen „Reinecke-Abend“ zu geben, in dem ausschließlich Werke aus seiner Feder erklangen. „Ich hatte die Freude, dass von Jahr zu Jahr ein größeres Lokal gewählt werden musste, da die Zahl der Zuhörer ständig wuchs, und zwar derart, dass zuletzt der größte Saal Hamburgs gemietet werden musste. Zumeist wurden meine neueren oder neusten Werke gewählt, das Streichtrio op. 249, das Trio für Klavier, Klarinette und Viola usw. … Andere kleine Freuden wurden mir zuteil … Erfreulicher als alles das ist mir jedoch, dass ich noch Kraft und Lust zum Schaffen habe und dass meine neuesten Werke nicht den Stempel der Greisenhaftigkeit tragen, wie mir aufrichtige Menschen versichern.“

Tatsächlich gehören die späten Werke Reineckes, die um 1900 entstanden, zu seinen besten und poetischsten. Der Mangel an „ganz Eigenem“, den Robert Schumann einst an den frühen Werken des 25-Jährigen leise getadelt hatte, und auch die Kritik Felix Mendelssohns, Reineckes Stücke seien nach hübschem Anfang oft „nicht interessant genug“, lagen weit hinter ihm. Dem Altmeister eröffneten sich eine Fülle neuer poetischer Inspirationen, wobei die hervorragenden Solobläser des Gewandhausorchesters zu entscheidenden Anregern wurden. Für sie schrieb er seine späten Bläserwerke: die „Undinesonate“ für Flöte und Klavier, das Sextett für Bläser und Klavier sowie die beiden Klarinettentrios, das eine mit Horn, das andere mit Bratsche und Klavier. Diese Spätwerke fassen das „Eigene“ von Reineckes Musik auf schönste Weise zusammen.

Stilistisch grenzte er sich mit diesen feinen Nachklängen auf die Romantik ganz bewusst von der Musik der Jahrhundertwende ab. Illusionslos schrieb er in Bezug auf seine späten Stücke: „Dennoch wird die musikalische Welt sie ziemlich unbeachtet lassen, weil ich nicht mit der Zeit fortgeschritten bin. Mit voller Überzeugung bin ich aber meinen bisherigen Kunstanschauungen treu geblieben, weil ich den Wegen, die die modernen Komponisten wandeln, nicht folgen mag und kann, da sie meiner Ansicht nach zu keinem schönen Ziel führen und ich die sogenannten Errungenschaften derselben nicht als Fortschritte betrachte, vielmehr glaube ich, dass sie der wahren Kunst nicht zum Heile dienen können. Daneben gebe ich mich aber nicht der trügerischen Hoffnung hin, dass meinen Werken eine längere Dauer beschieden sein wird, vielleicht mit Ausnahme derjenigen, die ich für die Jugend geschrieben habe. Doch das eine hoffe ich, dass man dereinst das Zeugnis geben wird, dass ich mit dem bescheidenen Pfunde, das mir der Himmel beschert hat, fleißig gewuchert habe und meiner Überzeugung sowie Gesinnung stets treu geblieben bin. Wenngleich ich so manches mitleidige Lächeln und Achselzucken um mich herum nicht übersehen habe.“