Klarinettenquintett (2006) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Volker David Kirchner

Klarinettenquintett (2006)

Klarinettenquintett (2006)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4253

Satzbezeichnungen

Sostenuto – Più animato – Vivo –
Sostenuto – Animato –
Molto Lento – Epilog

Erläuterungen

Volker David Kirchner
Klarinettenquintett

Wenn ein reifer Komponist einem bedeutenden Klarinettisten begegnet, ist das Resultat meistens ein Klarinettenquintett: Mozart schrieb seines für Anton Stadler, seinen Hausfreund und den besten Klarinettisten im Wien der Klassik. Carl Maria von Weber wurde durch die Kunst des bayerischen Preußen Heinrich Baermann zu seinem „Gran Quintetto“ verführt. Für den alternden Brahms gar wurde die Begegnung mit Richard Mühlfeld, dem Soloklarinettisten des damals unübertroffenen Meininger Orchesters, zu einem Jungbrunnen: Er machte seinen Entschluss, nichts mehr zu komponieren, rückgängig und schenkte der Welt – neben anderem – sein Klarinettenquintett.

Ulf Rodenhäuser, der Franke in München, einst Karajans Soloklarinettist bei den Berliner Philharmonikern, heute Klarinettenprofessor an der Isar und Gründervater des Ensemble Villa Musica, hat seinen Komponistenfreund Volker David Kirchner schon häufig inspiriert: Mehrere Werke entstanden ausdrücklich für seine Klarinette, wie das Quartett Exil oder das Klarinettensolo Pierrots Galgengesänge. An ein Klarinettenquintett dagegen wagte sich Kirchner erst im vergangenen Jahr aus Respekt vor der großen Tradition, zu der
man auch Max Regers Quintett zählen muss. Wie kaum anders zu erwarten, hat Volker David Kirchner im Angesicht dieser scheinbar übermächtigen Vorbilder seinen ganz eigenen Weg gefunden – und doch ein geheimes Band zu ihnen gewoben.

In seiner klangsinnlichen, meditativen Aura ist sein Quintett den Spätwerken von Mozart, Brahms und Reger verwandt. Eine Art herbstlicher Stimmung, die Wehmut eines Abgesangs liegt über dem Werk. „Klarinettenquintette sind Alterswerke – bei Brahms eines der letzten, bei Reger das letzte Werk. Auch mein Quintett ist ein Alterswerk,“ sagt der heute 65-jährige Kirchner. Jene besondere Aura entsteht aus der Verbindung zwischen gesanglichem Klarinettenton und pastosem Streichersatz. „Es ist ein sehr kantables Stück – sozusagen der Italiener in mir. Für mich muss Musik immer atmen und singen. Eigentlich also ganz einfach und doch nicht leicht für die Klarinette. Dabei gibt es auch einen Gesang der Klangfarben, z.B. am Anfang. Ganz leise und langsam deuten die Streicher am Anfang eine Melodie in f-Moll an, die auf mehrere Stimmen verteilt ist, etwas, das man gar nicht als Thema wahrnimmt. Erst 50 Takte später wird sie von der Klarinette in fis-Moll deutlich erkennbar als Thema gespielt, untermalt von fast irrealen, flirrenden Klängen der Streicher. Das Ganze ist im Grunde ein Streichquartett mit obligater Klarinette.“

Zur Entstehung sagt Kirchner: „Es entstand parallel zu meinem 10. Streichquartett und ist in den großen Bogen meiner Streichquartette eingespannt. Ein Werk entsteht aus dem anderen, wie die Kapitel eines Romans. Wichtig ist der Klang, der oft grenzwertig ist: die kleinen tickenden Figuren in den Streichern, die eigenwilligen Klangfarben. Dabei durchläuft das Stück einen enormen Verdichtungsprozess von dem schon vagen Anfang bis hin zu unglaublichen Ballungen. Dazwischen treten immer wieder rhythmische Attacken auf – wie es wohl für mich typisch ist. Am Ende aber, nachdem der Punkt der stärksten Verdichtung erreicht ist, lösen sich die dissonanten Harmonien wieder auf, wird der Klang ausgedünnt, bis nur noch melodische Linien übrig bleiben. Dies geschieht im Epilog. Heutzutage liebe ich die Epiloge, den Abgesang. Als junger Komponist liebte ich die Prologe.“

Das Klarinettenquintett wird im Mainzer Konzert dieser Serie am 28.9. uraufgeführt, erlebt dann zwei Aufführungen in der Villa Ludwigshöhe und in Schloss Molsberg, bevor die Musiker am kommenden Dienstag die italienische Erstaufführung in Florenz spielen werden.