Violinsonate Nr. 1 h-Moll, op. 15 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Georgy Catoire

Violinsonate Nr. 1 h-Moll, op. 15

Violinsonate Nr. 1 h-Moll, op. 15

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

1. Allegro non tanto ma appassionato
2. Barcarolle. Andante
3. Allegro con spirito – Vivamente – Maestoso

Erläuterung

Den Namen Georgy Catoire und eine ausführliche englische Biographie des russischen Spätromantikers findet man im Internet sogar auf der Bach Cantatas Website, der unverzichtbaren Online-Anlaufstätte für alle Bach-Enthusiasten (www.bach-cantatas.com/Lib/Catoire-Georgy.htm). Dabei gab es für den glühenden Wagnerianer aus Moskau gar keinen Grund, besonders viel Bach zu spielen. Als Klavierstudent von Karl Klindworth zog es ihn vielmehr in den Dunstkreis des Bayreuther Meisters. Schon mit 18 Jahren wurde er Mitglied der Richard Wagner Gesellschaft in Moskau, was ihm den Zorn seines späteren Lehrers Rimsky-Korsakow zuzog. Mit Edison Denissow teilte Catoire das „Erststudium“: Er war diplomierter Mathematiker. Dann aber zogen seine Klavierarrangements so viel Aufmerksamkeit auf sich (ähnlich wie übrigens im Falle unseres heutigen Pianisten Florian Noack), dass sogar Tschaikowsky ihm zum Musikstudium riet. Dieses absolvierte er lieber in Berlin als in der Heimat, wo man als Wagnerianer so wenig gelitten war wie als Verehrer Verdis. Dennoch kehrte Catoire 1887 nach Moskau zurück und bekam auf Empfehlung von Tschaikowsky eine einzige Stunde bei Rimsky-Korsakow. Dann wurde er sofort an Ljadow weitergereicht. Auch Tschaikowskys bedeutendster Schüler Sergej Tanejew und Anton Arensky trugen dazu bei, dass aus dem musikalisch begabten Mathematiker und Pianisten Catoire ein vollgültiger Komponist wurde.

Seine h-Moll-Violinsonate erschien 1904 in Tschaikowskys Verlag Jurgenson und gehörte einst zum Repertoire von David Oistrach, was sie im Westen freilich nicht bekannter machte. Hierzulande gilt sie immer noch als Geheimtipp. Wer wie Catoire zur Generation Gustav Mahlers gehörte und bei Tanejew studierte, neigte notwendig zu ausufernden Formen. Dies zeigt die Sonate in jedem ihrer drei Sätze.

Der Kopfsatz ist ein leidenschaftlich wogendes und wallendes Allegro non tanto ma appassionato im Dreiertakt, eine Art Rheintöchter-Gesang aus den Tiefen der Wolga. Als wahrer Wagnerianer modulierte Catoire unablässig, so auch im Seitenthema, das auf der G-Saite in Des-Dur einsetzt, aber sofort in die hohen Kreuztonarten ausschweift. Dabei führt der Taktwechsel vom Dreiviertel in den Dreihalbe zur subtilen Steigerung des Pathos. Die Durchführung dieses Sonatensatzes wechselt ständig zwischen Maestoso und Agitato, Tranquillo und Appassionato, beruhigt sich aber in einer wunderschönen H-Dur-Passage von äußerster Ruhe.

Als langsamen Satz schrieb Catorie eine Barcarolle, ein „Gondellied“, das freilich mit den schlichten Gesängen der Gondolieri in Venedig nichts mehr gemein hat. Vielmehr taucht die gedämpfte Violine in den leisen Wellenschlag des Klaviers ein wie ein Kahn in die dümpelnden Gewässer der nächtlichen Kanäle, auf denen ein Liebender seinen nächtlichen Träumereien nachdenkt. Ganz allmählich entspinnt sich daraus eine große, leidenschaftliche Liebesgeschichte (Reprise des H-Dur-Themas in hoher Lage, ohne Dämpfer und Largamente). Freilich sind es die leisen, subtilen Klangvaleurs, die diesen Satz so einzigartig machen.

Das Finale ist – wie sollte es anders sein – zerklüftet zwischen einem leidenschaftlich brodelnden Allegro con spirito in h-Moll, einem Poco meno in d-Moll und einem ersten Durchbruch nach Dur, der aber vorläufig bleibt. Nach der Reprise des Hauptthemas steuert der Satz im großen Bogen auf den finalen Dur-Durchbruch zu, der im Molto Allegro und dreifachen Forte anhebt, bis er sich zu einem wahrhaft majestätischen D-Dur-Schluss öffnet.