Polyhedron für Streichquartett | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ying Wang

Polyhedron für Streichquartett

Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncello

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Besetzung

Violine 1
Violine 2
Viola
Violoncello

Satzbezeichnung

Erläuterungen

Die junge Chinesin wurde 1976 in Shanghai geboren. Schon früh begann sie mit dem Komponieren unter der Anleitung ihres Vaters Xilin Wang, eines der bekanntesten Komponisten Chinas. Danach besuchte sie die Oberschule der Musikhochschule Peking. Am Konservatorium ihrer Heimatstadt absolvierte sie das Bachelor-Studium bei Chen Gang und Jia Daqun. 2003 kam sie nach Deutschland, wo sie an der Musikhochschule Köln zunächst ihr Diplom bei York Höller erwarb, später das Konzertexamen bei Höller, Rebecca Saunders und Johannes Schöllhorn absolvierte. Zusätzlich studierte sie elektronische Komposition bei Michael Beil und ab 2009 im Masterstudiengang Zeitgenössische Musik an der Frankfurter Musikhochschule, u. a. bei Helmut Lachenmann. 2011/2012 folgte der Cursus de composition et d’informatique musicale am IRCAM in Paris, wo sie bei Mauro Lanza, Philippe Leroux und Ivan Fedele studierte.

Auf dieses Jahrzehnt intensiver Studien in Deutschland und Frankreich folgte das Musikstipendium im Herrenhaus Edenkoben – in der zweiten Jahreshälfte 2012, im Anschluss an Birke J. Bertelsmeier. Schon in den Jahren zuvor hatte Ying Wang auf bekannten Foren für Neue Musik prägende Eindrücke gesammelt, so bei den Darmstädter Ferienkursen, bei der Kompositionswerkstatt im finnischen Sävellyspaja und beim Orff-Programm der Donaueschinger Musiktage. Meisterkurse besuchte sie bei Toshio Hosokawa und vielen weiteren Größen der Neuen Musik (Beat Furrer, Adriana Hölsky, Jouni Kaipainen u. a.).

Bei Kompositionswettbewerben der Franz Josef Reinl-Stiftung und der Kölner Musikhochschule gewann sie ihre ersten Auszeichnungen. 2009/10 war sie Stipendiatin der Internationalen Ensemble Modern Akademie in Frankfurt, wurde 2010 Composer-in-Residence am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. Wie erwähnt folgten das IRCAM in Paris und das Stipendium im Herrenhaus Edenkoben. Sie erhielt Kompositionsaufträge vom Young Euro Classic Festival, der Musikhochschule Köln und dem International Young Composer Festival in Krakau, von der Ernst von Siemens Stiftung, den Kasseler Musiktagen und vielen weiteren renommierten Institutionen.

Zu ihren Orchesterwerken zählen Phantasmagoria, Steel Steam Storm und Die Trauerfeier der Blumen für Gu Zheng, Sopran und Orchester. Traditionelle Musikinstrumente ihrer Heimat setzte sie auch in Kammermusikwerken ein, etwa in Nur ich für Pipa, Gu Zheng, Sheng, westliches Streichtrio, Klavier und Schlagzeug. Erlesene Klangkombinationen, fernöstlich inspirierte Poesie und einen Hang zum Sich-Versenken findet man immer wieder in ihren Werken.

Polyhedron (Uraufführung)

„Polyhedron ist für vier Streicher komponiert. Das Stück entstand von August bis Dezember 2012, als ich Stipendiatin im Herrenhaus Edenkoben war. Die von Weinbergen geprägte Landschaft rundherum hat mich sehr inspiriert. Die wechselnde Beleuchtung und der Widerschein der Bäume, des Himmels, Gartens und Hauses zu den unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. In vielen Momenten konnte ich Klangphantasien imaginieren: Wie klingt in großer Höhe schwebend der Raubvogel? Wie klingen die herbstlichen Farben des Weinbergs? Die im Unendlichen verströmende Aussicht auf dem Berggipfel? Die schöne Form der geernteten Früchte? Die tausenden Vögel, die sich im Herbst zu wolkenartigen Flugformationen zusammen finden?

Aus all dem schöpfte ich Inspiration für diese Komposition. Die Kombinationen all dieser Imaginationen versuchte ich in meine eigene ‚Edenkobener’ Klangsprache zu transformieren.

Um meine gewünschten klanglichen Differenzierungen zu erhalten, habe ich Skordaturen verwendet, das heißt die normale Stimmung der Instrumente auf jeweils einer Saite geändert. Für die Kontaktpunkte des Bogens auf der Saite habe ich zehn unterschiedliche Positionen definiert. Gleichzeitig verwende ich vier unterschiedliche Grade von Bogendruck.

Rhythmen aus der kubanischen Volksmusik habe ich wiederum als ein Kontrastmoment eingesetzt und polyphon weiterentwickelt.

Strukturell ist das Stück relativ frei aufgebaut. Es arbeitet mit unterschiedlichen Fragmenten und Kombinationen innerhalb des ‚Klangkörpers’ Streichquartett, die ich nach Kontrast- und Collage-Prinzipien komponiert habe.

Dieses Werk widme ich mich meinen lieben Freunden Konrad und Barbara Stahl.“ (Ying Wang, Peking im März 2014)