Rhapsodie Nr. 1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Béla Bartók

Rhapsodie Nr. 1

Rhapsodie Nr. 1 für Violine und Klavier bzw. Orchester

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Moderato (Lassú)
Allegro moderato (Friss)

Erläuterung

Béla Bartók hat zwei Rhapsodien für Violine und Klavier bzw. Orchester geschrieben. Die erste ist auch in einer Fassung für Violoncello und Klavier überliefert, wobei es sich streng genommen um die Urfassung handelt, denn der Komponist brachte das Werk zunächst in dieser Besetzung mit dem Cellisten Jenö Kerpely am 20. März 1929 in Budapest zur Uraufführung. Erst ein halbes Jahr später spielte Joseph Szigeti in Berlin die seitdem so populär gewordene Geigenfassung, in der das ungarisch-rustikale Klangkolorit des Werkes noch deutlicher zum Ausdruck kommt.

In der Anlage folgt die Rhapsodie dem zweiteiligen Aufbau des Csárdás aus Lassú und Friss. Ersterer ist ein „langsam-pathetischer, sporenklirrend rhythmisierter, kurzer Rundtanz der Männer“, an den sich der Friss als „ausgelassen wirbelnder Paartanz“ anschließt. So hat es Helmut Lindlar beschrieben. In seiner Bearbeitung für den Konzertsaal hat Bartók viel von der rohen Wildheit der originalen Tänze bewahrt. Die rustikalen Doppelgriffe seines Lassú ebenso markig heraus wie die kantige Kontur des aufsteigenden Themas. Die Synkopen und penetrant wiederholten Akkordgriffe des Friss scheinen um sich selbst zu wirbeln.

In beiden Teilen hat Bartók die Themen jenen Volksmelodien abgelauscht, die er vor dem Ersten Weltkrieg und zwischen den Kriegen in den Weiten Ungarns sammelte. Bis 1918 gehörten zum Königreich Ungarn auch weite Teile Rumäniens und der Slowakei, deshalb finden sich in Bartóks vier Bänden mit original „ungarischer“ Bauernmusik auch Volksmelodien aus ganz anderen ethnischen Traditionen. Seine 1. Rhapsodie wurde unter dem frischen Eindruck dieses Volkslied-Sammelns geschrieben und hat mit den verkitschten „Rhapsodien“ des 19. Jahrhunderts wenig gemein. Während Franz Liszt seine Ungarischen Rhapsodien als „Fragmente zigeunerischer Epen“ deutete, weht durch Bartóks Rhapsodien gleichsam der Stallgeruch ungarischer Gehöfte und der Tabakrauch ländlicher Weinstuben.

Noch ein Wort zum Widmungsträger des Werkes: Der Cellist Jenö Kerpely war einer der wichtigsten Streicherfreunde des Komponisten. Als er 1909 mit dem Geiger Imre Waldbauer das nachmals legendäre Waldbauer-Kerpely-Quartett gründete, setzte er – nach mehr als 100 Proben! – die Premiere von Bartóks erstem Streichquartett auf das Programm. In den folgenden Jahrzehnten spielten Kerpely und Waldbauer mit ihren Kollegen die Uraufführungen dreier weiterer Bartók-Quartette (Nr. 2, 3 und 4) sowie die ungarischen Erstaufführungen von Nr. 5 und Nr. 6. Daneben machten sie das Budapester Publikum mit den Strömungen der Moderne vertraut, was sie auch als Professoren der Budapester Musikakademie an ihre Schüler weitergaben. Das segensreiche Wirken der beiden in der Hauptstadt endete erst mit der sowjetischen Okkupation 1946, die sie zur Emigration in die USA zwang. Mit Fug und Recht kann man Jenö Kerpely als den ungarischen Cellisten der Moderne bezeichnen.