"Canonic Suite" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Elliott Carter

"Canonic Suite"

Suite B-Dur für vier Klarinetten (Saxophone), “Canonic Suite”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 450

Satzbezeichnungen

1. Fanfare. Deciso

2. Nocturne. Allegretto von moto

3. Tarantella. Allegro

Erläuterungen

Auch der New Yorker ELLIOTT CARTER hielt sich – wie Varèse, Villa-Lobos und unzählige seiner amerikanischen Kollegen – für längere Zeit in Paris auf. Er studierte in den 30er Jahren bei Nadja Boulanger, die damals, wie ein böses Wort sagt, “lauter kleine Strawinskys” ausbildete. Die neobarocke Satzweise ihrer Schule prägte auch Carters Kanonische Suite für vier B-Klarinetten, eine Umarbeitung der kurz nach den Pariser Jahren komponierten Suite für Saxophonquartett von 1939. Sie beginnt nicht nur mit dem ungetrübten D-Dur-Akkord, sondern lehnt sich auch an Tänze der barocken Suite und an Bachische Kanontechniken an.
Der erste Satz folgt dem barocken Tanztypus der Bourrée; sein Kanon steht, relativ harmlos, im Einklang, die Stimmen folgen sich aber im Abstand von nur einem Viertel, also in dauernder Engführung.
Der zweite Satz ist der kunstvollste, denn in ihm werden alle drei Varianten kanonischer Veränderung – Umkehrung, Krebs und Krebsumkehrung – zugleich verwendet. Die zweite Klarinette imitiert die erste in Umkehrung, d. h. sie spielt alles, was jene nach oben spielt, nach unten und vice versa. Klarinette III und IV beginnen nicht bei der ersten Note der Melodie, sondern bei der letzten und spielen den ganzen Satz von hinten nach vorne, wobei die vierte Klarinette zusätzlich alles, was die dritte spielt, umkehrt und – um die Sache noch komplizierter zu machen – vor ihr einsetzt. Außerdem stehen Klarinette II und IV in der Unterquart. Wie man sich denken kann, und auch schon an der Beschreibung merkt, führt diese Häufung kontrapunktischer Künste zu einem kaum noch durchhörbaren Gewebe von Stimmen, das einem Bach jedoch alle Ehre gemacht hätte, gerade wegen seiner Klangschönheit.
Für den letzten Satz, der im vitalen Rhythmus einer barocken Gigue steht, hat sich Carter die Technik des Canon per tonos, eines Kanons durch die Tonarten aufgespart, die er Bachs Musicalischem Opfer entlehnte. Hier setzen die vier Stimmen von unten nach oben jeweils um eine Sekund höher ein, also auf a, h, cis und d. Dies führt zu einem dauernden und kunstvollen Modulieren durch den Quintenzirkel.

Der New Yorker Komponist Elliott Carter berührt das Motto des Kultursommers Rheinland-Pfalz 1999, Rendezvous mit Frankreich, zumindest indirekt. Wie unzählige andere Kompopnisten seiner Generation ging er nach Paris, um bei Nadja Boulanger zu studieren. Die Komponistin, die Schwester der frühverstorbenen Lili Boulanger, bildete damals, wie ein böses Wort sagt, “lauter kleine Strawinskys” aus. Die neobarocke Satzweise ihrer Schule prägte auch Carters Kanonische Suite für vier Alt-Saxophone von 1945. In ihr verbindet sich die kanonische Satzweise mit komplexen kontrapunktischen Techniken wie Umkehrung, Krebs und Krebs-Umkehrung.

Der erste Satz folgt dem barocken Blechbläsertypus der Fanfare, der zweite Satz, der ein besonders dichtes Stimmengewebe aufweist, ist als Nocturne bezeichnet. Im Finale verbinden sich der wirbelnde Rhythmus der neapolitanischen Tarantella mit dichtestem Kontrapunkt zu einem virtuosen Kabinettstück.