Divertimento B-Dur KV 137 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento B-Dur KV 137

Divertimento für Streicher B-Dur, KV 137

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Andante
Allegro di molto
Allegro assai

Erläuterung

Anfang 1772, zwischen seiner zweiten und dritten Italienreise, schrieb Mozart zuhause in Salzburg drei Divertimenti für Streicher, über deren Besetzung bis heute gestritten wird. Während sie im Konzertsaal meist von Streichorchestern gespielt werden und auch als „Salzburger Sinfonien“ bekannt wurden, neigt die Musikwissenschaft dazu, sie als Werke für Streichquartett anzusehen. Die Mozartforscher sprechen von den drei „Quartett-Divertimenti“ – eingedenk der Tatsache, dass Joseph Haydn seine frühesten Streichquartette Divertimento nannte. Mozart freilich hatte sein erstes Streichquartett längst komponiert, 1771 in Lodi bei Mailand, und hatte es Quartetto genannt. Mit der Bezeichnung Divertimento für die drei Werke KV 136 bis 138 muss er also etwas anderes gemeint haben. Vor die Akkoladen der Partitur schrieb er die Instrumente und dabei statt „Viola“ den italienischen Plural „Viole“. Dies wird von Manchen als Hinweis auf eine chorische Besetzung der Streicher gedeutet, doch auch dieses Argument ist nicht triftig, da Mozart bis in seine späten Streichquartette hinein die zweifellos solistische Viola häufig als „Viole“ bezeichnet hat. Was also ist gemeint: solistische oder chorische Streicherbesetzung?

Vermutlich beides: Einen Tag, nachdem Vater und Sohn Mozart im Advent 1771 zum zweiten Mal aus Italien zurückgekehrt waren, starb ihr großer Gönner, Fürsterzbischof Schrattenbach. Der neue Landesherr wurde bald gewählt und geweiht: Fürsterzbischof: Hieronymus Graf Colloredo. Der Serenissimus war ein passabler Geiger und liebte es, im Hofkonzert die erste Sinfonie an einem der ersten Geigenpulte mitzuspielen. Darauf hatte Mozart in seinen Salzburger Sinfonien der Jahre 1772 und 1773 Rücksicht zu nehmen. Die drei Divertimenti stehen chronologisch ganz am Anfang dieser Werkgruppe und waren wohl für die kleineren Hofkonzerte bestimmt. Während nämlich in den großen Akademien Arien und Duette, Sinfonien für volles Orchester und Solokonzerte in üppiger Zahl zu überlangen Programmen zusammengestellt wurden, liebte Colloredo gelegentlich auch kürzere Abende: „Sollen die Musiken kürzer als gewöhnlich seyn“, berichtete eine zeitgenössische Quelle, „so werden Solos, Trios und Quatuors gemacht, und die Sänger fallen dabey aus; das Ende derselben macht sodenn mehrentheils eine Ouverture.“ Mit Ouverture ist hier eine dreisätzige, italienische Sinfonia gemeint, genau jene Form, die Mozart für seine drei Divertimenti benutzte. Offenbar schrieb Mozart die drei Stücke für die „kurzen“ Akademien in der Salzburger Residenz oder im Schloss Mirabell. Dort konnten sie entweder solistisch als „Quatuor“ oder in chorischer Besetzung als abschließende „Ouverture“ ausgeführt werden. Je nach Laune des Fürsten.

Mozart gab sich alle Mühe, seinen fürstlichen Dienstherren zu beeindrucken, und zwar durch den neuesten italienischen Stil, den er von seinen Reisen nach Mailand, Venedig und Rom in die Heimat mitbrachte. Die drei Divertimenti sind so italienisch wie nur möglich, voller Anklänge an die Werke eines Antonio Sacchini, Niccolò Piccinni und der anderen damals in Italien modischen Komponisten. Zugleich ist der Streichersatz überaus konzertant virtuos, was wohl mit Salzburger Vorlieben zusammenhängt: „Geschätzt war möglicherweise weniger der elaborierte als der virtuos konzertante Streichersatz“ schrieb Manfred Hermann Schmid in seinem Buch Mozart in Salzburg über die dortige Abneigung gegen das Streichquartett. Lieber hörten die Salzburger Werke im rauschend-konzertanten Stil Italiens, wie ihn Mozart in den drei Divertimenti ideal vorführte.

Im mittleren der drei Werke, dem Divertimento B-Dur, KV 137, drehte er die übliche Satzfolge um und stellte das Andante an den Anfang statt in die Mitte. Dies hing sicher mit dem unkonventionellen Beginn zusammen: Erst nach zwei Einsätzen in der „falschen“ Tonart – zuerst in c-Moll, dann in d-Moll – finden die Streicher im siebten Takt zu einer klaren Kadenz in B-Dur. Diesen Überraschungseffekt wollte Mozart an den Anfang des gesamten Divertimentos stellen. Auf den harmonisch unklaren Beginn folgt für vier Takte ein kräftiges Forte in B-Dur im Rhythmus einer Polonaise, dann ein schönes Cantabile von sieben Takten, worauf wieder ein Polonaise-Einschub folgt. Der ganze Satz spielt mit diesen überraschenden Kontrasten zwischen Piano bzw. Pianissimo und Forte, wobei auch die harmonischen Eintrübungen wiederkehren.

Nach diesem unkonventionellen Anfang gönnte Mozart seinen höfischen Zuhörern im zweiten Satz eine Entspannung: Mit italienischem Temperament stürmt das Allegro di molto voran, mailändisch rauschend im Hauptthema, salzburgisch fein gegliedert im Seitenthema, mit einem wunderschönen Cantabile zu Beginn des Mittelteils. Als Finale schrieb er eines jener knappen Allegros im Dreiertakt, wie sie seit Hasse und Pergolesi in der Opera seria die dreisätzigen Ouvertüren beschlossen. „Er ist doch ein halber Italiener geworden, der junge Mozart“, so werden sich die Salzburger Zuhörer nach diesem Divertimento gesagt haben.