Serenata notturna KV 239 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Serenata notturna KV 239

Serenata notturna KV 239

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Marcia. Maestoso
Menuetto – Trio
Rondeau. Allegretto – Adagio – Allegro

Erläuterung

Nicht nur der Fürsterzbischof durfte sich in Salzburg an Mozartschen Divertimenti und Serenaden erfreuen, sondern auch der Hofadel und so manche reiche Bürgersfamilie. Sie alle hatten sich an das Niveau des Wolfgang Amadé Mozart gewöhnt und wurden unangenehm überrascht, wenn einmal die jährliche Serenata zum Namenstag in andere Hände fiel. (Wie in katholischen Landen üblich wurde der Namenstag gefeiert, nicht der Geburtstag!). So geschah es im Sommer 1778, als Sohn Mozart mit seiner Mutter in Paris weilte und der Vater zuhause in Salzburg miterleben musste, wie eine gräfliche Serenata zum Fest der Heiligen Antonia schon im Vorfeld zur Katastrophe wurde: „Übermorgen ist Antonia, du bist nun weg! Wer wird der Gräfin eine Nachtmusik machen? – wer? – La Compagnie des Amateurs. Graf Czernin und Kolb sind die 2 Violini principali mit erstaunlichen Solos, die Composition ist – die Allegro und adagio vom Hafeneder, die Menuet 3 Trio vom Czernin NB alles neu Componiert. der Marche vom Hafeneder, aber auch alles schlecht, gestohlen, Hickl Hackl bis in die Himmel! Falsch – wie die Welt! … alles geht mit dem Marsch, (ausgenommen ich nicht) weil ich so unglücklich bin und meine gedächtniß zum auswendig lernen verloren habe! Gestern war die erbärmliche Probe bey uns … auwehe, auwehe! das spritzt!“

Was Leopold Mozart hier im Brief vom 11. Juni 1778 als Groteske beschreibt, enthält im Kern die üblichen Gepflogenheiten einer Salzburger „Nachtmusik“. Mit einem Marsch zog die Musikantenkompanie auf. Er war auswendig vorzutragen (weshalb Leopold Mozart sich im Falle des Hafenederschen Marsches lieber entschloss, vorzutäuschen, er könne in seinem Alter nichts mehr auswendig spielen!) Ein Menuett, oft mit mehreren Trios, bildete den Tanzsatz, daneben waren ein Allegro und Adagio gewünscht, meist auch ein Rondo.

Mozarts Serenata notturna, KCV 239, beschränkt sich auf drei dieser obligatorischen Sätze: Sie beginnt mit einem Marsch, gefolgt von Menuett mit Trio und Rondofinale. Es handelt sich also um eine kürzere „Nachtmusik“. Ihr Titel ist übrigens keine Tautologie, obwohl hier scheinbar von einer „nächtlichen Abendmusik“ die Rede ist. Generell glaubt man in Deutschland, Serenata würde im Italienischen bereits „Abendmusik“ bedeuten, vom Wort „sera“ abgeleitet. Tatsächlich aber stammt der Begriff vom Wort „sereno“ ab, das bis heute einen heiteren, wolkenlosen Himmel bezeichnet und damit die ideale Voraussetzung für eine Freiluftmusik. Letzteres meint der Begriff Serenata viel eher, gleichgültig zu welcher Stunde musiziert wurde, ob am Spätnachmittag (italienisch auch „la sera“) oder am Abend oder in der Nacht, also nach Sonnenuntergang.

Letzteres war bei der Serenata notturna der Fall, die Mozart im Januar 1776 komponiert hat. Das Stück war für den ausgelassenen Salzburger Fasching bestimmt, und es beginnt auch gleich mit einem Faschingsscherz: mit dem Einsatz einer Pauke. Ein reines Streichorchester mit Pauke zu verstärken, war unüblich, da das Instrument normalerweise nur „mit Pauken und Trompeten“ zum Einsatz kam. Mozart wollte aber den einleitenden Marsch mithilfe des Schlaginstruments besonders „militärisch“ erscheinen lassen. Der Schlagzeuger darf schon zu Beginn tüchtig „auf die Pauke“ hauen, wenn der Marsch im Unisono aller Instrumente einsetzt – mit einer typischen Militärmarsch-Fanfare. Was darauf folgt, wirkt gleich wie die ironische Brechung der martialischen Attitüde: ein weiches Cantabile der Solostreicher. Mozart hat hier das Streichorchester nach Art eines Concerto grosso in Soli und Ripieni geteilt. Als Solisten fungieren die beiden Prinzipalgeiger, ein Bratschist und ein Bassist. Dem steht das „Tutti“ gegenüber, also das gesamte Ensemble aus den vier Solisten und den reinen Ripieno-Spielern. Der Klangwechsel zwischen zarten Soli und kräftigem Tutti durchzieht den gesamten Marsch, wobei die Ironie ständig zunimmt. Im Seitenthema spielt die erste Sologeige „aufreizende“ Synkopen und kurze Vorschläge, im zweiten Teil spielen die Ripienisten Pizzicato. Mozart konnte hier – wie später in Figaros Arie Non più andrai oder im Soldatenchor von Così fan tutte – seine ironische Distanz zur militärischen Disziplin nicht verhehlen.

In der Aufführungspraxis darf man sich diesen Marsch wohl so vorstellen, dass die Solospieler auswendig spielend in den Saal oder Hof einzogen, während das Ripieno dort auf sie wartete. „Loco“ erklang dann komplett das schöne Menuett, ein echter Faschings-Festtanz mit Arpeggi, lombardischen Rhythmen und pikantem Staccato. Das Trio bleibt dem solistischen Streichquartett vorbehalten, ein galanter Satz mit Triolen- und Sechzehntelparallelen in den Sologeigen.

Natürlich wird auch das abschließende Rondeau vom Konzertmeister eröffnet, mit einer schwungvollen Gavotte. Der Vordersatz des Tanzthemas bleibt stets den Solisten überlassen, das Tutti antwortet im Nachsatz. Das erste Couplet dürfen die vier Solisten alleine bestreiten, erst vor der Wiederkehr des Rondeau-Themas tritt das Tutti lärmend hinzu, dann aber bricht die Reprise plötzlich ab und mündet in einen Adagio-Einschub. Es handelt sich um ein langsames Menuett im französischen Stil für die Solisten, gefolgt von einem flinken Allegro im Rhythmus eines Rigaudon. Gleich drei populäre Tanztypen hat Mozart in diesem Finale vereint: die Gavotte im Thema des Rondeau, das Menuett im Adagio-Einschub, den Rigaudon im Allegro. Seltsamerweise kehrt bei der Reprise des Rondeau nicht auch das Originaltempo Allegretto wieder. Der Schlussabschnitt ist also eine Art „Stretta“ und wartet mit allerhand Überraschungen auf, etwa dem raschen Wechsel zwischen gestrichenen und gezupften Saiten. Im pompösen Tutti geht die Serenata festlich zu Ende.

Ihr Uraufführungsdatum Januar 1776 sollte einen übrigens nicht dazu verleiten, eine Freiluftaufführung auszuschließen – man denke nur an die keineswegs kältescheuen Narren im rheinischen Karneval und in der Mainzer Fassenacht. Außerdem hatte sich zu Mozarts Zeit die kleine Eiszeit vom Beginn des 18. Jahrhunderts in eine Periode durchweg warmen Wetters verwandelt, was Freiluftaufführungen auch im Winter begünstigte.