Klaviersonate Es-Dur, KV 282 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Klaviersonate Es-Dur, KV 282

Klaviersonate Es-Dur, KV 282

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Adagio
Menuetto I und II
Allegro

Erläuterung

„Er spiellte so geschwind daß es nicht auszunehmen war, und gar nicht deütlich, und nicht auf den Tact. – übrigens hat er um keinen kreutzer geschmack noch empfindung. – ein bloßer Mechanicus. – vor dem Essen hat er mein Concert herabgehuldet. – so spielen und scheißen ist einerlei!“ In so drastischen Worten beschrieb Wolfgang Amadeus Mozart das schlampige, überhetzte Klavierspiel seines Zeitgenossen Abbé Vogler in Mannheim. Für ihn musste der ideale Interpret ganz anders spielen: Er musste alles „gewissenhaft ausführen“, nicht zu schnell, sondern mit der „gehörigen expression und gusto“, also mit „Geschmack und Empfindung”. Mozart schätzte es nicht, wenn ein Pianist die Hand schwer machte und Akzente mit dem Arm statt mit der Hand markierte. Passagen sollten „fort fließen wie Öl“. Das Tempo musste unter allen Umständen gehalten werden. Denn ohne das rechte Tempo konnte es auch keinen rechten Ausdruck, keine „Expression“, geben.

Einen Mangel an solcher Präzision und am rechten Ausdruck attestierte Mozart selbst einem so berühmtesten Pianisten wie Muzio Clementi. „Clementi ist ein Ciarlattano (Scharlatan) wie alle Wälsche. – er schreibt auf eine Sonate Presto, auch wohl Prestissimo und Alla Breve, und er spielt sie Allegro im 4/4 Takt; – ich weiß es, denn ich habe ihn gehört. – was er recht gut macht, sind seine Terzenpassagen. – er hat aber in London Tag und Nacht darüber geschwitzt; – außer diesem hat er aber nichts – gar nichts – nicht den geringsten vortrag, noch geschmack – viel weniger empfindung.”

Mozarts eigene Karriere als Cembalist bzw. Pianist begann so früh wie die kaum eines anderen Wunderkinds: Bereits mit sieben Jahren hat er regelmäßig öffentlich gespielt, so etwa auch in Mainz und Koblenz, als die Familie dort im Sommer und Herbst 1763 gastierte. Deshalb kam er auch kaum zum Üben im herkömmlichen Sinne, wie sich später seine Schwester Nannerl erinnerte:

„Von seiner Kindheit an spielte er am liebsten bey der Nacht. Wenn er sich nachts um 9 Uhr zum Clavier setzte, so brachte man ihn vor zwölfe Uhr Nachts nicht vom Clavier, und da musste man ihn zwingen aufzuhören, er würde sonst die ganze Nacht fort phantasiert haben. Früh von 6 Uhr oder 7 Uhr an bis 10 Uhr componirte er und meistens im Bette. wo er dann den ganzen Tag durch nichts mehr componirte, ausgenommen, er musste etwas (geschwind) verfertigen. Nach 8 spielte er allzeit Clavier oder er componirte. Von Exercieren auf dem Clavier, wie er einmal über 7 Jahre hatte, weiß ich gar nichts, denn sein Exercieren bestand darinnen, dass er immer sich musste hören lassen, dass ihm immer sachen vorgelegt wurden, die er vom Blatt weg spielen musste, und dieses war sein Exercieren.“

Angesichts der frühen Konzertkarriere des Tastenwunders Mozart ist es umso verwunderlicher, dass er seinen ersten Zyklus von Klaviersonaten erst im Alter von 18 Jahren begonnen hat: die sechs Sonaten KV 279 bis 284, entstanden 1774/75 in Salzburg und München. „Klaviersonaten“ hatte er schon viel früher geschrieben, nämlich „begleitete Sonaten“. So nannte man damals Sonaten für Tasteninstrument „mit Begleitung der Violine“ oder auch „mit Begleitung von Violine und Violoncello“. Wir würden heute von Violinsonaten und Klaviertrios sprechen. Solche Zyklen kennen wir schon aus Mozarts Kindheit. Sein Vater hatte sie mit großem Paukenschlag in Paris und London drucken lassen. Dann aber wurde es still um den Klavierspieler Mozart. Auf den Italienreisen stand der Opernkomponist im Vordergrund, zuhause in Salzburg der Geiger und Orchesterkomponist: Ab 1772 leitete Mozart die Hofkapelle als Konzertmeister von der ersten Geige aus. Als Klavierspieler konnte er sich nur außerhalb hören lassen, und genau diesem Umstand verdanken wir offenbar seinen ersten Zyklus von sechs Klaviersonaten: Im Sommer 1774 erhielt er die ehrenvolle Einladung, für den Münchner Fasching die Opera buffa La finta giardiniera zu schreiben. Der bayerische Kurfürst kannte und schätzte ihn seit seinen Kindertagen als virtuosen Cembalisten. Nun nutzte Mozart die Chance, diesen Eindruck zu vertiefen, und schrieb für die bevorstehende Münchner Reise einen Zyklus von Klaviersonaten, den er an der Isar mit der so genannten „Dürnitzsonate“ KV 284 abschloss. Es handelt sich um ausgesprochene Konzertsonaten. In der Familie Mozart hießen sie nur „die schweren Sonaten“.

Die Es-Dur-Sonate, KV 282, offenbart schon in ihrem ersten Satz, dass sie nicht mehr für das Cembalo, sondern für den Hammerflügel komponiert wurde. Sie beginnt ausnahmsweise nicht mit einem Allegro, sondern mit einem ausdrucksstarken Adagio, Inbegriff der Mozartschen „Expression“ am Hammerflügel. Der Satz ist mit dynamischen Nuancen übersät, mit plötzlichen Wechseln zwischen Piano und Forte bis in die Verzierungen hinein. Zu Mozarts Zeit sprach man von „Schattierungen“ und meinte das Spiel mit „Hell-Dunkel“, Licht und Schatten. Der Pianist beginnt fast verträumt mit einem ausdrucksstarken Thema über einem absteigenden Bass. Dann plötzlich fällt die Melodie ins Piano zurück und wird in Akkordbrechungen der linken Hand getaucht. Immer bewegter singt sich der Pianist in der rechten Hand aus: von Achteln über Sechzehntel bis hin zu Zweiunddreißigstel-Läufen, wie eine Primadonna, die die Gesangsstimme ihrer Arie immer stärker verziert. An den Schluss der zweiteiligen „Arie“ hat Mozart ausdrücklich eine „Coda“ angehängt, drei wunderschöne Takte, in denen er das Thema variiert und in einen wunderbaren Pianissimo-Schluss geführt hat. Nur auf dem Hammerflügel war dieser verklingende Schluss angemessen auszuführen.

Das Menuett in der Mitte der Sonate bezaubert durch seine schlichte Melodie, die man sich auch gut im Bläserklang vorstellen könnte. Tatsächlich hatte Mozart kurz vor jenen Klaviersonaten einen Zyklus von Bläserdivertimenti für seinen Salzburger Dienstherren, Erzbischof Hieronymus von Colloredo, geschrieben. An deren elegante Menuette knüpfte er hier an. Das zweite Menuett wirkt pianistischer und greift auf den Rhythmus einer Polonaise zurück.

Die Sonate schließt mit einem tänzerischen Allegro, das an die knapp dimensionierten Finali früher Opernouvertüren von Mozart erinnert. Tatsächlich lassen die „Alberti-Bässe“ in der linken Hand an nervöse Sechzehntel in den zweiten Geigen denken, die vollen Akkorde an den „Tuttiklang“ des Orchesters. Die Mitte des Satzes hat Mozart für eine kurze Durchführung genutzt, so dass ein kompakter Sonatensatz entsteht.