Sechs Lieder, op. 37 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Richard Strauss

Sechs Lieder, op. 37

Sechs Lieder, op. 37

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

1. Glückes genug (Text: Detlev von Liliencron)

2. Ich liebe dich (Detlev von Liliencron)

3. Meine Kinde (Gustav Falke)

4. Du bist mein Auge (Richard Fedor Leopold Dehmel)

5. Herr Lenz (Emanuel, Freiherr von Bodman)

6. Hochzeitlich Lied (Anton Lindner)

Erläuterung

2018
Strauss-Lieder – mit und ohne Gesang

Richard Strauss war zeitlebens ein leidenschaftlicher Liederkomponist. Nicht nur seine Leidenschaft für schöne Frauen schlug sich darin nieder, sondern auch seine Begeisterung für schöne Stimmen und für die Dichtkunst. Als ihm 1896 der Dichter Karl Henckell in einem Brief die rührende Wirkung schilderte, die ein Strauss-Lied bei ihm ausgelöst hatte, antwortete Strauss mit einigen bezeichnenden Sätzen: „Ich stehe im Verhältniß so aufrichtiger Teilnahme an Ihrem Schaffen und dem Ihrer Kunstgenossen, daß mit ein derartiger Beweis von Gegenliebe wie der, den Sie mir gegeben, ein wirkliches Bedürfniß ist. Wenn meine bescheidenen Compositionen dazu mit beitragen könnten, den Namen der vertonten Poeten zur gerechten Würdigung von Seiten des für gewöhnlich nicht lyrische Gedichte lesenden Publikums zu verhelfen, so wäre niemand glücklicher als ich.“ Die Unterstreichung stammt vom Komponisten selbst und wirft auf seine Einschätzung des Publikums ein bezeichnendes Licht. Um 1900 war es durchaus noch üblich, Lyrik zu lesen, und zwar nicht nur die Klassiker und Romantiker. Den Erfolg seiner Lieder verdankte Strauss nicht zum geringsten Teil seinem Gespür für den Zeitgeist in der Lyrik, dem er herrliche Denkmale setzte.

Strauss als Liederkomponist

„Naturstimmungen mit Seelenpointen“ waren nach Strauss’ eigener Aussage eine der vielen Facetten seines Liedschaffens: „Machen Sie mir ein paar einfache Lieder dieser Art: Naturstimmungen mit ‚Seelenpointen’ à la Traum durch die Dämmerung, Freundliche Vision oder Du bist die Ruh etc. ohne viel gedankliche Seitensprünge.“ So schrieb er an den Wiener Dichter Anton Wildgans. Andere Lieder konnten „sehr im Volkston und mit ganz leichter Begleitung versehen“ sein wie das Opus 21, wieder andere „sehr compliziert“. Dabei reagierte Strauss jeweils ganz spontan auf den vorliegenden Text: „Treffe ich nun da, wenn sozusagen das Gefäß bis oben voll ist, auf ein nur ungefähr im Inhalt correspondierendes Gedicht, so ist das Opus im Handumdrehen da.“ So gab er im Fragebogen von Friedrich von Hausegger zu Protokoll.

Schwieriger wurde es dort, wo spröde Texte der Musik im Weg standen, „weil der musikalische Gedanke, der sich – weiß Gott warum – innerlich vorbereitet hatte, nicht ganz das entsprechende poetische Gedankengefäß gefunden hat und nun sich ummodeln, umdeuten lassen muß, um überhaupt zur Erscheinung zu gelangen.“ Schon der Neunzehnjährige äußerte sich abfällig über „zum Componieren etwas spröde Texte“, während der greise Meister rückschauend meinte: „Ich reagiere eben sehr stark auf glückliche Worte – siehe Terzett Rosencavalier, Duette Arabella, Schlußverse der Helena.“

Die genannten Opern kommen hier nicht zufällig ins Spiel: All die wundervollen lyrischen Stimmungen, die organische Verbindung von Singstimme und Klavier, die er bis 1901 in seine Lieder hineinlegte, entfaltete er in der vollen Pracht seiner Orchestrierung erst in den späteren Opern ab dem Rosenkavalier. Die Opern lösten die Lieder in dieser Hinsicht ab, so dass ab 1901 große Lücken im Liedschaffen klaffen.

Was das Verhältnis der Gesangslinie zum Text betraf, forderte Strauss vom Lied äußerste Genauigkeit: „Das moderne Lied: der Vers gebiert erst die Gesangsmelodie – nicht wie sehr oft sogar bei Schubert, daß die Melodie über den Vers gegossen wird, ohne dem Tonfall des Gedichts ganz gerecht zu werden!“

Reinhold Schlötterer schrieb 1988 über den Liederkomponisten Strauss: „Da ist zunächst einmal das äußere Maß der Lebesnzeit. Haben wir es doch, vom ersten Lied des sechsjährigen Richard bis zu den letzten, 1948 in der Schweiz komponierten Liedern des Vierundachtzigjährigen, mit einem 78 Jahre überbrückenden Liedschaffen zu tun, und daß der reife Strauss andere Texte bevorzugt als das Kind, ist wohl selbstverständlich. Aber im kleineren Maßstab ist jedes Lied so repräsentativ für die zugehörige Lebens- und Schaffenssituation, daß man aus dem Blickwinkel der Liedtexte und –kompositionen unschwer eine aussagekräftige Strauss-Biographie schreiben könnte.“

Aus Opus 37

Zu den großen Liederreihen, in denen Richard Strauss dem Zeitgeist der Jahrhundertwende seinen Tribut zollte, gehört sein Opus 37, Sechs Lieder für hohe Singstimme und Klavier nach Gedichten der damals führenden Modedichter: Richard Dehmel, Detlev von Liliencron und Gustav Falke. Er begann die Reihe eher beiläufig im Februar 1897 mit dem Lied Meinem Kinde nach Falke. Ein Jahr später komponierte Strauss zügig vier Lieder nach Liliencron, Dehmel und Lindner. Ein schon früher geschriebenes Lied nach Emanuel von Bodman ergänzte das Opus zur Sechserreihe. 1898 brachte der Verlag Aibl die Lieder heraus und ließ schon im Jahr darauf die Klavierbearbeitungen von Max Reger folgen. Anhand von zwei Liedern aus diesem Opus kann unser Publikum Original und Bearbeitung direkt miteinander vergleichen: Glückes genug nach Liliencron und Meinem Kinde nach Falke. Vor der Pause spielt Georg Michael Grau alleine ohne Gesang Regers Arrangements der beiden Lieder, nach der Pause erklingen dann die Originalfassungen mit Text.

„Mutterlieder“

Mit Strauss’ einzigem Falke-Lied Meinem Kinde hat es eine besondere Bewandtnis: Er komponierte es im Februar 1897, als seine Frau Pauline im siebten Monat schwanger war. Die Geburt des einziges Sohnes Franz am 12. April 1897 gestaltete sich für Mutter und Kind überaus schwierig, was Strauss aber wegen Dirigierverpflichtungen erst viel später erfuhr. Stolz beschrieb er seinen „Bubi“: „Ich bin überglücklich, der Bub ist prachtvoll, über acht Pfund, ein Riesenschädel von 39 cm Kopfweite, meine grauen großen Augen, den Kopf voll brauner Haare, 37 cm Brustweite, Nase ein Mittelding zwischen Pschorr und de Ahna, Paulines hübschen geschweiften Mund, Riesenpfoten, dabei schläft er so friedlich und gesund.“ Als hätte er es geahnt, suchte sich Strauss zwei Monate zuvor ein Gedicht über ein schlafendes Kind heraus, das der Vater betrachtet. Nachdem sich Mutter Pauline von den Strapazen der Niederkunft erholt hatte, sang sie einen neuen kleinen Liederzyklus ihres Mannes mit Orchesterbegleitung, die Mutterlieder, darunter auch Meinem Kinde. Im Dezember 1900 hatte das Ehepaar Strauss damit einen Riesenerfolg bei den Berliner Philharmonikern. Als der Wiener Kritikerpapst Eduard Hanslick 1901 die Mutterlieder hörte, schrieb er an Strauss einen Dankesbrief, „des herrlichen Vortrags Ihrer Frau gedenkend“. Auch der Komponist selbst war vom Liedvortrag seiner Frau geradezu hingerissen: „Sie hat meine Lieder mit einem Ausdruck und einer Poesie vorgetragen, wie ich sie nie mehr gehört habe. Morgen, Traum durch die Dämmerung, Jung Hexenlied hat ihr niemand auch nur annähernd nachgesungen.“ Als sich Pauline Strauss-de Ahna 1906 aus den Konzertsälen zurückzog, beendete auch Strauss sein Liedschaffen – für mehr als ein Jahrzehnt.