Klaviersonate C-Dur, KV 330 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Klaviersonate C-Dur, KV 330

Klaviersonate C-Dur KV 330

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Allegro moderato
Andante cantabile
Allegretto

Erläuterung

Mozart am Klavier

Zurück zum Januar 1787, Mozarts erstem Prager Triumph. Kaum war er an der Moldau eingetroffen, ersuchte man ihn um zwei Dinge: er sollte seinen „Figaro“ selbst dirigieren, was er am 22. Januar unter dem Jubel des Publikums tat, und er sollte eine große Akademie, sprich: ein Sinfoniekonzert mit dem Theaterorchester geben. Letzteres fand am 19. Januar statt. Das Programm lässt sich ungefähr rekonstruieren: Mozart dirigierte die „Linzer“ und die „Prager“ Sinfonie, spielte mindestens ein Klavierkonzert, eher aber zwei wie später in seinen Akademien zu Leipzig und Frankfurt. Er improvisierte solistisch am Klavier und leitete Aufführungen seiner Arien mit Prager Sängern, darunter seine so entschieden auftretende Freundin Josepha Duschek. Es war ein üppiger Abend, wie die „Prager Oberpostamtszeitung“ berichtete: „Freytags den 19ten gab Hr. Mozard auf dem Fortepiano im hiesigen Nationaltheater Konzert. Alles was man von diesem großen Künstler erwarten konnte, hat er vollkommen erfüllt.“

Welche Klavierkonzerte er damals spielte, wissen wir nicht, doch sicher war das neue C-Dur-Konzert, KV 503, darunter. Beim zweiten Konzert dürfte es sich um das d-Moll-Konzert, KV 466, gehandelt haben, da Mozart den aufgeschlossenen Pragern sicher sein bislang „dramatischstes“ Klavierkonzert nicht vorenthalten wollte. In seiner Tonart und dem düster-tragischen Tonfall nimmt es den „Don Giovanni“ unüberhörbar vorweg, wozu auch der Wechsel ins buffoneske D-Dur ganz am Ende des Finales passt. Alles an diesem Konzert war für die Ohren der Zeitgenossen neu: der Anfang aus unruhig drängenden Synkopen in tiefer Lage im Pianissimo; die lange Steigerung im Crescendo mit den hinzutretenden Bläsern; der nachfolgende d-Moll-Ausbruch des gesamten Orchesters; das lakonische zweite Thema der Bläser in F-Dur und die tief-traurige Streicherweise, die das Orchestervorspiel beendet. Das Klavier führt sich mit einem instrumentalen Rezitativ ein, beginnt dann einen beredten Dialog mit den Bläsern und steigert immer wieder den düsteren Orchesterklang durch dunkel- chromatische Figuren. Die zarte B-Dur-Romanze des zweiten Satzes entführt uns zunächst in die heile, edle Welt Don Ottavios, bevor wild-erregte Triolen in g-Moll die Ruhe zerstören. Die Rückleitung von diesem dämonischen Abgrund auf die lichten, seligen Höhen der Romanze gehört zu Mozarts großartigsten Übergängen. Ernst und abweisend gibt sich sogar das Rondo mit seinen fast schreiend hohen Hornpartien im Orchester. Der Wechsel nach D-Dur kommt spät und wirkt grell ironisch. Kein Wunder, dass ausgerechnet Beethoven von diesem Konzert angezogen wurde, das Guthbert Girdlestone das einzige wirklich „Beethovenische“ unter Mozarts Klavierkonzerten nannte. Der Bonner Meister hat dazu bekanntlich zwei großartige Kadenzen geschrieben, während von Mozart selbst keine Originalkadenzen überliefert sind.

Eingesperrt vom Grafen

Nach vollendeter Arbeit in Oper und Sinfoniekonzert stürzte sich Mozart mit seiner Frau Konstanze in den berühmten Prager Fasching. „Der Prager Fasching genoß den Ruf besonderer Lustigkeit. Das lag in der Vorliebe der Prager für den Tanz begründet,“ so berichtete Otto Brechler noch 1911 von der guten alten Zeit in der böhmischen Hauptstadt. Gleich bei seiner Ankunft im Januar 1787 war Mozart mitten in diese tanzwütige Faschingshorde hineingeplatzt, wie er seinem Freund Jacquin berichtete: „Um 6 Uhr fuhr ich mit dem Grafen Canal auf den sogenannten breitfeldischen Ball, wo sich der Kern der Prager Schönheiten zu versammeln pflegt. – das wäre so was für sie gewesen mein freund! Ich meine ich sehe sie all den schönen Mädchens und Weibern … nachhinken! Ich tanzte nicht und löffelte nicht, … ich sah aber mit ganzem Vergnügen zu, wie alle diese leute auf die Musick meines Figaro, in lauter Contretänze und Teutsche verwandelt, so innig vergnügt herumsprangen.“

Es währte nicht lange, bis Mozart zur Feder griff, um den Prager Schönheiten noch mehr Musik zum Tanzen zu geben. „In Prag den 6ten Febrario“ trug er sechs Deutsche Tänze, KV 509, in sein Werkverzeichnis ein. Sie waren die Frucht einer Stunde Arbeit im Palais des Grafen Pachta am Anna-Platz. Lange schon hatte Mozart dem Grafen, der für seine großen Hausbälle berühmt war, eine solche Tanzfolge versprochen, aber nach seiner Gewohnheit sie nicht aufgeschrieben. Nun lockte ihn der Graf mit der Einladung zu einem Abendessen ins Haus, freilich eine Stunde früher als alle anderen Gäste. Statt der Speisen fand Mozart auf dem Tisch nur Notenpapier, Feder und Tinte vor – ein Wink mit dem Zaunpfahl, sich doch endlich der Pflicht zu entledigen, was Mozart denn auch in der verbleibenden Stunde vor dem Essen tat. Vorsorglich hatte der Gastgeber die Tür zusperren lassen, denn es war höchste Zeit: der Fasching näherte sich schon seinem Höhepunkt. Was dabei herauskam, ist eine hinreißende Folge von schnellen Walzern, die Mozart ganz dezidiert als Einheit anlegte – vom aufreizend „wippenden“ Anfang bis hin zum orchestral aufbauschenden, großartig gesteigerten Schluss. Die Instrumentierung einschließlich Piccoloflöte ist ebenso köstlich wie der Wechsel der Melodien, Tonarten und Rhythmen. Noch heute gibt dieser Tanzzyklus einen lebendigen Eindruck von dem freudigen Gedränge in den Ballsälen der Prager Paläste, vor allem aber von der Güte der dortigen Hausorchester, die meist aus musikalischer Dienerschaft bestanden.

Prager Sinfonie

Nur ein Instrumentalwerk Mozarts ist schon durch seinen Beinamen untrennbar mit der tschechischen Hauptstadt verbunden: die „Prager Sinfonie“ D-Dur, KV 504 – nicht ganz zu recht, wie die Details der Entstehung verraten. Mozart vollendete sie am Nikolaustag 1786, sechs Wochen, bevor er mit seiner Frau zu den „Figaro“-Aufführungen nach Prag aufbrach. Damals lag die Einladung aus Böhmen noch gar nicht vor, die neue Sinfonie war also keineswegs für seine böhmische Reise bestimmt, sondern für seine nächsten Wiener Konzerte. Ihre Uraufführung erlebte sie im Rahmen seiner vier „Adventaccademien“ im Casino des Trattnerhofs an der Seite des neuen Klavierkonzerts in C-Dur, KV 503.

Zur „Prager Sinfonie“ wurde das Stück erst in Mozarts Prager Akademie am 19. Januar 1787 und besonders in der Folgezeit, als sich das Prager Orchester gerade dieses Stücks mit Hingabe und Passion annahm. Niemetschek berichtet von der „großen Sinfonie in D dur“, sie sei „noch immer ein Lieblingsstück des Prager Publikums, obschon sie wohl hundertmal gehört ward.“ Vom Zustand des Prager Orchesters und seiner überaus gelassenen Interpretation der großen Mozartsinfonie zeichnete der Berliner Komponist Johann Friedrich Reichhardt ein anschauliches Bild: „Das Orchester ging gut zusammen, freilich war es nur eine kleine Musik, aber es spielte doch mit Ruhe und Diskretion, was andere Orchester gerade bei solchen Stücken nicht zu tun pflegen.“

Wie die Sinfonie in der ersten Prager Aufführung unter Mozarts Leitung gewirkt hat, beschrieb wiederum sein böhmischer Biograph: Man habe sie sofort als ein „wahres Meisterstück des Instrumentalsatzes“ erkannt, „voll überraschender Übergänge“, mit einem „raschen, feurigen Gang, so, dass sie alsogleich die Seele zur Erwartung von irgend etwas Erhabenem“ stimmt. Tatsächlich kündet schon die langsame Einleitung von erhabenen Empfindungen. Sie beginnt mit jenen düster-feierlichen Klopfmotiven, die ein halbes Jahr später im „Don Giovanni“ den steinernen Gast ankündigen sollten. Die feierliche D-Dur-Aura schlägt bald um in düstere d-Moll-Todesklänge, eine Vorwegnahme der „Don Giovanni“-Ouvertüre. Auf den schnellen Teil dieser Ouvertüre verweist auch die Bläserfanfare, die im folgenden Allegro den unruhig flackernden Synkopen der Streicher antwortet. Immer wieder weicht in diesem Satz das strahlende D-Dur dem todesnahen d-Moll, werden strahlende Höhepunkte erreicht und resignativ umgebogen. Das Andante in G-Dur nimmt in seiner wundervoll zwielichtigen Stimmung und Instrumentation die Nachtszenen im zweiten Akt des „Don Giovanni“ vorweg, während das Finale unüberhörbar Cherubinos rasend-schnelles Duettino mit Susanna im zweiten Akt des „Figaro“ zitiert. Dieser Satz ist wie der erste eines der großen Meisterwerke des Kontrapunkts in Mozarts Orchestermusik und zugleich eine pulsierend-vitale Opernszene für Instrumente auf halbem Weg zwischen jenen beiden Opern Mozarts, die die Prager über alles liebten.