Zwei Cabaret-Lieder für Paulette Darty | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Erik Satie

Zwei Cabaret-Lieder für Paulette Darty

Zwei Cabaret-Lieder für Paulette Darty

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

1. J’avais un ami (1904)
2. La chemise (1909)

Erläluterung

Von 1898 bis 1908 verbrachte Erik Satie fast jeden Abend in einem Café Concert oder einer Music-Hall als Klavierbegleiter von Vincent Hyspa und diverser Sängerinnen. Ein anderes Publikum hatte der schüchterne Komponist damals noch nicht. Erst 1910 erlöste ihn sein Freund Maurice Ravel aus dem Zwielicht des Montmartre und öffnete ihm die Türen zum Konzertleben der Hauptstadt.

Kurz zuvor hatte er seine letzte Chanson de Cabaret für eine berühmte Sängerin komponiert, die 1909 ein überraschendes Comeback feierte: Paulette Darty. Ab 1897 war sie der Star einer berühmten Music-Hall auf dem Boulevard de Strasbourg gewesen, der Scala – das Pariser Boulevard-Gegenstück zur Mailänder Scala. Dort hatte Paulette Darty in berühmten Satie-Liedern geglänzt, von denen einige gestern in Schloss Engers zu hören waren wie etwa das Walzerlied Je te veux oder die Chanson La Diva de l’Empire. Im selben Sommer 1904 komponierte Satie für sie das kleine Lied J’avais un ami. Es erzählt die rührende Geschichte von der Freundschaft einer jungen Frau zu einem grazilen jungen Mann, der bei einem Apotheker für das Nachzuckern der bitteren Medizin zuständig ist. Bewundernd nennt ihn sein Arbeitgeber „Le grand Sucrier“. Als aber die internationale Zuckerkrise ausbricht, verliert „der große Zuckerer“ seine Arbeit und muss seine Freundin verlassen:

Il m’embrassa, puis il partit pour Châteauroux.
J’avais un ami si tendre et si doux.

Er umarmte mich, dann brach er nach Châteauroux auf.
Ich hatte einen Freund, so zart und so süß.

Ein Jahr nach diesem rührenden Lied schloss das Scala seine Pforten, um erst 1909 wieder zu eröffnen, nachdem sich ein neuer Geldgeber für das herabgewirtschaftete Etablissement gefunden hatte. Das erklärte Ziel des neuen Impresarios war es, „das gute, glückliche und ehrliche Café-Concert“ von einst wieder zum Leben zu erwecken, jene Kunst „der guten, geistreichen und bissigen Chansons“, die in der Zwischenzeit von „schwächlichen und geschmacklosen Liedern“ verdrängt worden waren. Also wurde auch die frühere Diva des Hauses zurückgeholt: Paulette Darty. Satie schrieb eine letzte Chanson für sie: La Chemise. Darin geht es um nichts anderes als um die schmutzigen Windeln, die Babys normalerweise produzieren, beschrieben in den rührendsten Ausdrücken. Mit diesem Lied im Tempo einer Polka verabschiedeten sich Satie und sein Star Paulette von der Cabaret-Bühne: Sie heiratete eine Textilfabrikanten, der auf teure Spitze spezialisiert war, er wurde nun doch ein seriöser Komponist.