Zwei Cabaret-Lieder für Lys Gauty (1934) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Kurt Weill

Zwei Cabaret-Lieder für Lys Gauty (1934)

Zwei Cabaret-Lieder für Lys Gauty (1934)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

1. Complainte de la Seine
2. Je ne t’aime pas

Erläuterung

Ein halbes Jahr vor Marie Galante komponierte Kurt Weill in Paris zwei Songs für einen der größten Stars der Cabaret-Szene: für die Diseuse Lys Gauty. Die beiden Lieder Complainte de la Seine und Je ne t’aime pas erschienen im Verlag Heugel mit melodramatischen Fotos ihres Stars auf dem Cover und dem Hinweis: „Uraufführung im Konzert durch Lys Gauty.“

Complainte de la Seine trägt alle Anzeichen des Zeitgeistes: Alles was Menschenunglück auf den Grund des Flusses gespült hat, wird hier in sentimentaler Attitüde ans Licht gebracht. Man kann sich leicht vorstellen, wie die große Diseuse Lys Gauty ihre sonore Stimme in diesen Versen deklamierend über der Klavierbegleitung erschallen ließ, immer heftiger werdend in ihren Klagen. Dabei schlug sie ihre magischen Augen auf und bezauberte ihre Zuschauerinnen wie Zuschauer durch das Make up eines „Vamp“. Bereits im Oktober 1934 hat sie Weills Lied mit Orchesterbegleitung auf Platte eingespielt, ein Musterbeispiel an trocken-scharfer Deklamation:

Au fond de la Seine il y a de l’or,
Des bateaux rouillés, des bijoux, des armes.
Au fond de la Seine, il y a des morts
Au fond de la Seine, il y a des larmes,
Au fond de la Seine il y a des fleurs,
de vase et de boue, il y a des cœurs
Qui souffrir’nt trop pour vivre la vie.

Auf dem Grunde der Seine gibt es Gold,
Verrottete Boote, Juwelen und Waffen,
Auf dem Grund der Seine gibt es Tote,
Dort gibt es Tränen, Blumen, eine Vase,
Auf dem Grunde der Seine liegen Herzen,
Die zu viel litten, um ihr Leben zu leben.

Auf jener legendären Platte von 1934 sang Lys Gauty auch Weills Lied Je ne t’aime pas. Den gesamten Anfang des Liedes nahm sie zügig, fast beiläufig, mehr gesprochen als gesungen. Erst bei der Stelle „Dis-moi tes amours, je ne t’aime pas“, „Erzähl mir deine Lieben, ich liebe dich nicht!“ ging sie in pathetischen Gesang über. Kurz danach – dort, wo Weill gesprochenes Wort vorschreibt (parlé) – fiel sie wieder in ihren halb gesprochenen Diseusen-Tonfall zurück. Die tragischen Töne dieses Liedes – die Verzweiflung eines jungen Mannes, der seine untreue Liebste in die Wüste schickt, obwohl er sie immer noch liebt – wurden von ihr eher heruntergespielt:

Retire ta main,
Je ne t’aime pas,
Car tu l’as voulu,
Tu n’es qu’une amie.
Pour d’autres sont faits,
Le creux de tes bras,
Et ton cher baiser,
Ta tête endormie.

Zieh deine Hand zurück,
Ich liebe dich nicht.
Denn du hast es so gewollt,
Du bist nur eine Freundin.
Für andere sind sie gemacht:
Die Beuge deiner Arme
Und dein teurer Kuss,
Dein schlafendes Haupt.