Cellosonate fis-Moll, op. 52 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Giuseppe Martucci

Cellosonate fis-Moll, op. 52

Cellosonate fis-Moll, op. 52

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

1. Allegro giusto
2. Scherzo. Allegro molto – Trio. Allegretto
3. Intermezzo. Andante flebile
4. Finale. Allegro

Erläuterung

Giuseppe Martucci trägt mit Recht den Beinamen „der italienische Brahms“, nicht nur, weil er sich für die Werke des Hanseaten in seiner Heimat ebenso nachhaltig eingesetzt hat wie etwa für Wagner oder Debussy. Seine eigenen Sinfonien tragen den Brahmsschen Stempel und wurden von Arturo Toscanini mit großer Begeisterung dirigiert. Vor allem seine Kammermusik erinnert in Anlage und Stil immer wieder an den großen Hamburger in Wien, der Martucci um eine ganze Generation voraus ging.

1856 in Capua geboren, hatte der Sohn eines Banda-Musikers schon eine vielbeachtete Pianistenkarriere begonnen und das Lob eines Liszt und Rubinstein geerntet, als er sich an das Konservatorium vom Neapel zurückzog und sich aufs Dirigieren und Komponieren beschränkte. 1878 reichte er als gerade mal Zweiundzwanzigjähriger sein Klavierquintett zum Kompositionswettbewerb der Mailänder Quartettgesellschaft ein und gewann ihn – mit einer Musik, die italienischen Belcanto mit Brahms und Schumann versöhnt.

Die gleichen Stilmerkmale zeigt die gewaltige Cellosonate in fis-Moll, die Martucci 1883 für seinen neapolitanischen Gönner Paolo Rotondo komponierte. Der begeisterte Cellist Rotondo versammelte in seinem Salon die intellektuelle Elite Neapels, Maler, Musiker und Dichter wie Gabriele d’Annunzio. Von 1846 bis 1896 veranstaltete er jeden Freitagabend einen Incontro musicale, eine musikalische Zusammenkunft. Dabei wurden regelmäßig neue Stücke uraufgeführt, bei denen der Gastgeber Cello spielte, so etwa auch Martuccis Quintett. Zum Dank dafür komponierte er für Rotondo die fis-Moll-Sonate, die zweifellos zu den dankbarsten Cellosonaten der Romantik zählt.

Der erste Satz ist mit seinen fast 14 Minuten der längste und bedeutendste der Sonate, ein Allegro giusto, das vom düsteren fis-Moll-Beginn über die schönsten Cellogesänge
einem wahrhaft majestätischen Schluss zustrebt. Am Beginn steht ein düsteres Dreiton-Motiv des Klaviers in strengem Unisono. Angesichts seiner verminderten Septim D-eis könnte es auch von Liszt stammen. Erst der Einsatz des Cellos mildert den Ernst und führt das weiche, gesangliche Hauptthema in hoher Tenorlage ein. Es moduliert sofort nach E-Dur und entfaltet sich im schönsten singenden Bogen über 14 Takte hinweg bis zu einem Trugschluss, auf den das Cello mit einem nervösen Zwischenthema in e-Moll reagiert. Diesen Einschub hat Martucci in der Reprise übersprungen und erst ganz am Ende des Satzes in der Coda noch einmal anklingen lassen. Zunächst lösen die Sechzehntel eine stürmische Entwicklung aus. In stetiger Steigerung scheint die Musik einem Höhepunkt zuzustreben, weicht dann aber plötzlich nach A-Dur aus. In dieser freundlichen Tonart setzt das Cello mit dem selig singenden Seitenthema ein, einer weit gespannten Kantilene, deren Erkennungsmerkmal ein Triller ist, der im Satzverlauf noch häufig wiederkehrt. Die große Steigerung, die nach dem ersten Thema ausblieb, wird nun nach dem zweiten Thema nachgeholt und gipfelt in prachtvollem Dialog der beiden Instrumente. Danach kehrt mit der Wiederholung der Exposition das düstere Liszt-Motiv vom Anfang wieder. In der Durchführung wird es ebenso wieder aufgegriffen wie Motive aus dem Hauptthema, die beständig durch die Tonarten modulieren. Besonders eindrucksvoll ist die Rückleitung zur Reprise: wogende Sechzehntel des Klaviers, die sich über düsterem Pizzicato des Cellos immer mehr steigern, bis sie das Liszt-Motiv des Anfangs münden, das nun über drei Oktaven gedehnt im Fortissimo erklingt. Anders als zu Beginn antwortet das Cello nun unmittelbar auf das düstere Klavierthema, nämlich mit kämpferischen Doppelgriffen. Das schöne Cello-Hauptthema wirkt nach diesen Takten leise klagend. Erst das Seitenthema bringt die Erlösung vom düsteren Verhängnis des fis-Moll. Es erklingt nun in der seltenen Tonart Fis-Dur, die mit ihren sechs Kreuz eine träumerische Gegenwelt zur Grundtonart schafft. Letztere kehrt in der Coda noch einmal zurück, und zwar mit dem Sechzehntelthema des Cellos, das Martucci in der Reprise ausgelassen hatte. Daraus entsteht eine letzte düstere Steigerung, bis der unwirklich schöne Schluss endgültig nach Fis-Dur führt.

Das Scherzo steht an zweiter Stelle und ist aus leichtem Stoff gewoben: Im sehr schnellen Dreiertakt drehen sich Staccato-Viertel des Klaviers um sich selbst. Dabei sorgen Akkorde auf der dritten Zählzeit für eine „jazzige“ Verschiebung gegen den Takt. Im Lauf des Satzes werden die Klangtupfer des Pianisten immer delikater, die Rhythmen immer zierlicher, bis die Musik sich federleicht vom Boden löst und in luftige Höhen zu entschweben scheint. Das Trio in E-Dur beginnt bodenständiger: mit einem Cellosolo, das in ein Wiegenlied des Klaviers mündet. Das Thema im 6/8-Talt klingt, als habe es Martucci einem italienischen Hirtenlied abgelauscht. Nach diesem pastoralen Intermezzo kehrt der Scherzo-Hauptteil fast unverändert wieder.

Der schönste Satz der Sonate ist zweifellos das Intermezzo, ein flehendes Andantino flebile der beiden Instrumente im langsamen Dreiertakt eines Lamentos. Das Cello intoniert eine klagende fis-Moll-Melodie über harfenartig gebrochenen Klavierakkorden. Wenn dieses Thema vom Klavier aufgegriffen wird, entfaltet es eine beinahe Bachsche Aura von Weltschmerz und Vorhaltsdissonanzen. Hätte Martucci in Paris, Wien oder London gewirkt, hätte ihn dieser Satz schlagartig berühmt gemacht – eines der schönsten Cellostücke der gesamten Romantik. Doch weder in Neapel noch in Leipzig, wo der Verlag Kistner Martuccis Sonate im Jahr 1884 herausbrachte, scheint dieses Andante auf besondere Resonanz gestoßen zu sein.

Das Finale zeigt gleich zu Beginn, welch brillanter Pianist Giuseppe Martucci gewesen sein muss: Das Klavier eröffnet den Satz mit Klangwogen aus lauter Sextparallelen. Auf dieses rhapsodische Thema antwortet das Cello im zwölften Takt mit einem eigenen Sechzehntelthema, nun in „risolutem“ Staccato. Aus dem Schlagabtausch der beiden Themen entsteht ein atemberaubendes Finale, das trotz seines schönen Cello-Seitenthemas und anderer gesanglicher Episoden immer wieder zum kämpferischen Beginn zurückfindet. In diesem Duktus eines furiosen fis-Moll schließen Satz und Sonate.