Serenade C-Dur, op. 10 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ernö von Dohnanyi

Serenade C-Dur, op. 10

Serenade C-Dur für Violine, Viola und Violoncello. op. 10

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 557

Satzbezeichnungen

1. Marcia. Allegro

2. Romanza. Adagio non troppo, quasi andante

3. Scherzo. Vivace

4. Tema con variazioni. Andante con moto

5. Rondo. (Finale.) Allegro vivace

Erläuterungen

Ernst von Dohnányi, der Großvater von Christoph und Klaus von Dohnányi, war einer der vielseitigsten Musiker des 20. Jahrhunderts. 1877 im damals ungarischen Bratislava geboren, gab er schon mit 7 Jahren sein Konzertdebüt als Pianist. Später wurde er Schüler von d’Albert und einer der einflussreichsten Virtuosen seiner Generation. Er starb 1960 als Kompositions- und Theorielehrer in den USA. Man kann sein Spiel noch in alten Aufnahmen bewundern, u. a. in Mozarts G-Dur-Klavierkonzert, KV 453; zu seinen Schülern zählten keine Geringeren als Géza Anda und Georg Solti.

Als Komponist blieb Dohnányi zeitlebens dem spätromantischen Stil verpflichtet, den ihm sein Lehrer, der Brahms-Freund Hans Kössler, vermittelt hatte. Seine Musik bildete dadurch einen Gegenpol zum national-ungarischen Stil eines Kodály oder Bartók. Dohnányis Serenade, op. 10, komponiert 1903, ist eines der Hauptwerke der Gattung Streichtrio. In ihrer kompositorischen Meisterschaft ist sie mit den Streichtrios von Mozart und Beethoven zu vergleichen, an denen sie sich auch formal orientiert. Konkrete Vorbilder waren Mozarts Divertimento, KV 563, und Beethovens Serenade, op. 8, an. Bedenkt man, mit welcher Spielfreude und klanglichen Fantasie das Stück entworfen ist, so erscheint der Aufwand an kompositorischer Kunst hinter der spielerischen Fassade umso bemerkenswerter.

Der 1. Satz ist ein nur scheinbar einfacher Marsch mit gesanglichem Trio. In Wahrheit finden sich schon hier subtile Unregelmäßigkeiten in der Periodik und kompositorische Kunstgriffe wie Umkehrung und Vergrößerung der Themen.
Der naive Ton der F-Dur-Romanze, die von der Bratsche über synkopischer Begleitung angestimmt wird, verkehrt sich im Mittelteil in ein leidenschaftliches Appassionato von Violine und Cello.

Der Höhepunkt der satztechnischen Meisterschaft wird im Scherzo erreicht. Es beruht auf einer Synthese aus rhythmischem Elan, konzertantem Stil und Kontrapunkt, wie man sie häufig bei Mendelssohn findet. Der Hauptteil ist eine chromatische Fuge in d-Moll im Rhythmus einer Gigue. Sie macht von allen Mitteln der Fugentechnik wie Umkehrung, Engführung, Orgelpunkten etc. Gebrauch. Durch mehrere Trugschlüsse bleibt der Schluss der Fuge offen; sie geht nahtlos in das Trio über, dessen sanfte Melodie aus dem Kontrapunkt der Fuge entwickelt ist. Schon während des Trios tritt das Scherzothema wieder auf. Die eigentliche Überraschung enthält jedoch die Reprise: sie steht in D-Dur, statt d-Moll, und vereinigt die Themen des Scherzo und Trios zu einer grandiosen Doppelfuge.

Der Variationensatz offenbart einen weiteren Kunstgriff: sein chromatisch absteigendes Thema entspricht dem Trio des Marsches und zeigt Ähnlichkeiten zum Scherzothema. Auf diese Weise hat Dohnányi die Serenade thematisch vereinheitlicht, eine Tendenz, die am Ende des Finales ihren Abschluss findet. Nach einem Rondo über Haydnsche Themen – voller kontrapunktischer und harmonischer Pointen – kehren der einleitende Marsch und sein Trio wieder. Wie in Beethovens Serenade op. 8 oder in den beiden Serenaden von Dvorak gewinnt man den Eindruck, als ziehe die kleine Schar von Musikern, die sich zu Beginn im Marschtrott unter dem Fenster einer Angebeteten aufgebaut hat, unverrichteter Dinge wieder ab.

Den Namen von Dohnányi verbindet man heute mit einem berühmten Brüderpaar: Klaus und Christoph von Dohnányi, dem ehemaligen SPD-Bürgermeister der Hansestadt Hamburg und dem weltbekannten Dirigenten, der u.a. die Frankfurter und Hamburger Oper und das Cleveland Orchestra leitete. Ihr Vater Hans von Dohnányi wurde 1943 als Widerstandskämpfer im KZ Sachsenhausen ermordet, ihr Onkel Dietrich Bonhoeffer ebenfalls von den Nazis hingerichtet. Lange vor dieser Zeit des politischen Bekenntnisses hatte ihr Großvater Ernö den Familiennamen auf klingende Weise in die Welt der Musik eingeführt. Er war der große Mentor von Bartók und Kodály, der entscheidende Organisator des ungarischen Musiklebens nach dem Ersten Weltkrieg, ein hochbegabter Komponist und begnadeter Pianist, dessen weithin berühmtes Mozartspiel man noch heute in einer Einspielung des G-Dur-Klavierkonzerts, KV 453, bewundern kann.

Als Komponist trat Ernö von Dohnányi schon früh in den Wiener Dunstkreis von Johannes Brahms. Dessen Freund Hans Koessler war sein Lehrer an der Budapester Musikakademie und empfahl dem großen Hanseaten den jungen Ernö nachhaltig. Als Brahms das Klavierquintett c-Moll des erst Achtzehnjährigen zu Gesicht bekam, soll er gesagt haben: “Das hätte ich selbst nicht besser machen können.” Mit diesem Opus 1 und dem Klavierkonzert Opus 5 gelang dem jungen Komponisten noch vor der Jahrhundertwende der Durchbruch in Wien. Doch schon bald machte ihn der Geiger Joseph Joachim der Donaumetropole abspenstig und berief ihn an die Berliner Musikhochschule – als Professor von 31 Jahren. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zog es Dohnányi wieder zurück in die Heimat, wo er nach 1918 wesentlich am Aufbau des nationalen Musiklebens beteiligt war.

Die Werke dieser späteren Zeit verweisen in ihrer Verarbeitung nationaler Volksmusik und nationaler Themen schon auf die jungen ungarischen Komponisten um Bartók. In seinen frühen Wiener Jahren dagegen wandelte Dohnányi noch ganz auf den Pfaden von Brahms, speziell in der Kammermusik. Seine beiden Klavierquintette, zwei Streichquartette, je eine Violin- und Cellosonate lassen unmittelbar an Brahmssche Muster denken. Im Zuge dieser Serie bescherte er freilich auch den Liebhabern des Streichtrios ein wundervolles Werk: die Serenade C-Dur, op. 10. Sie kann cum grano salis als Ersatz für jenes Streichtrio gelten, das Johannes Brahms nie geschrieben hat.

In ihrer kompositorischen Meisterschaft ist sie durchaus mit den Streichtrios von Mozart und Beethoven zu vergleichen, an denen sie sich formal orientiert, speziell an KV 563 und Beethovens Serenade, op. 8. Bedenkt man, mit welcher Spielfreude und Klangfantasie das Stück entworfen ist, so erscheint der Aufwand an kompositorischer Kunst hinter der spielerischen Fassade umso bemerkenswerter.

Der erste Satz ist ein scheinbar einfacher Marsch mit gesanglichem Trio. In Wahrheit finden sich schon hier subtile Unregelmäßigkeiten und kompositorische Kunstgriffe wie Umkehrung und Vergrößerung der Themen.

Der naive Ton der folgenden
Romanze, die von der Bratsche über synkopischer Begleitung angestimmt wird, verkehrt sich im Mittelteil in ein leidenschaftliches Appassionato von Violine und Cello.

Der Höhepunkt der satztechnischen Meisterschaft wird im Scherzo erreicht. Es beruht auf einer Synthese aus rhythmischem Elan, konzertantem Stil und Kontrapunkt, die an Mozart, aber auch an Mendelssohn gemahnt. Der Hauptteil ist eine chromatische Fuge in d-Moll im Rhythmus einer Gigue. Sie macht von allen Mitteln der Fugentechnik wie Umkehrung, Engführung, Orgelpunkten etc. Gebrauch. Durch mehrere Trugschlüsse bleibt der Schluss der Fuge offen; sie geht nahtlos in das Trio über, dessen sanfte Melodie aus dem Kontrapunkt der Fuge entwickelt ist. Schon während des Trios tritt das Scherzothema wieder auf. Die eigentliche Überraschung bringt jedoch die Reprise: sie steht in D-Dur, statt d-Moll, und vereinigt die Themen des Scherzos und Trios zu einer grandiosen Doppelfuge.

Der Variationensatz offenbart einen weiteren Kunstgriff des jungen Komponisten. Sein chromatisch absteigendes Thema entspricht dem Trio des einleitenden Marsches und zeigt Ähnlichkeiten zum Scherzothema. Auf diese Weise hat Dohnányi die Serenade thematisch vereinheitlicht, wie man es um 1900 von Kammermusik allenthalben erwartete.

Im Finale findet diese thematische Zusammenschau ihren Abschluss. Nach einem Rondo über Haydnsche Themen voller kontrapunktischer und harmonischer Pointen kehren der einleitende Marsch und sein Trio wieder. Wie in zahllosen Serenaden – Beethovens Opus 8, den beiden von Dvorak u.a. – gewinnt man den Eindruck, als ziehe die kleine Schar von Musikern, die sich zu Beginn im Marschtrott unter dem Fenster einer Angebeteten aufgebaut hat, unverrichteter Dinge wieder von dannen.