Sonatine G-Dur, op. 100 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonin Dvorák

Sonatine G-Dur, op. 100

Sonatine G-Dur für Violine (Violoncello) und Klavier, op. 100

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 599

Satzbezeichnungen

1. Allegro risoluto

2. Larghetto

3. Scherzo. Molto vivace

4. Allegro – Molto tranquillo

Erläuterungen

Zur populärsten Episode in Dvoraks Biographie wurde – paradox genug für einen Komponisten, der so innig seiner Heimat verbunden war -, sein Aufenthalt in der Neuen Welt. Die Sinfonie gleichen Namens, also die Neunte, hat dazu das Meiste beigetragen, es lohnt sich jedoch, auch die in ihrem Schatten gereifte Kammermusik eingehend zu betrachten und zu hören. Mit dem Amerikanischen Streichquartett, op. 96, dem Streichquintett, op. 97, und der Sonatine für Violine und Klavier, op. 100, schuf Dvorak eine kammermusikalische Trias von entrückter Klangschönheit und zartetester Hommage an die „Nationalmusik“ Amerikas. Letztere suchte der von Mrs Thurber, der gestrengen Direktorin des New Yorker Konservatoriums, an den Hudson River Beorderte in der Musik der Opfer des amerikanischen Traums: bei den Indianern und Negersklaven. Denn Mrs Thurbers idealistische Vorstellung von der „Nationalmusik“, die Dvorak für die große amerikanische Nation erfinden solle, hatte vor der Realität eines Einwanderer-Landes kaum Bestand. Und so nahm Dvorak Zuflucht zu zwei authentischen Folklore-Eindrücken, die sich ihm gleich nach der Ankunft in New York einprägten: die Tänze von Irokesen, die er in den Shows des Buffalo Bill zu sehen bekam, und die Spirituals, die ihm ein farbiger Schüler am Koservatorium vorsang.

Noch vieles andere ist in die amerikanischen Werke eingeflossen: Die Erzählungen alter Auswanderer über die harten Anfangsjahre in Amerika, die Großmütterchen in der Dorfkirche von Spillville in Iowa, wo Dvorak den Sommer 1893 verbrachte und die Gemeinde an der Orgel mit tschechischen Kirchenliedern überraschte; das Erlebnis der amerikanischen Natur, die Dvorak schon auf der 36stündigen Bahnfahrt von New York nach Iowa in ihren Bann gezogen hatte, und seine Morgenspaziergänge am Turkey River, einem Nebenfluss des Mississippi.

Getrost dürfen die geneigten Hörerinnen und Hörer Spuren dieser Reiseeindrücke auch in der Sonatine wiederfinden, die Dvorak in der Vorweihnachtszeit 1893 in New York für seine Kinder geschrieben hat. Es waren die 15jährige Otilie und der 10jährige Anton, die sie zuerst spielten, doch nicht nur für die Jugend, sondern auch „für Große, Erwachsene“ wollte der Komponist das Werk verstanden wissen. „Sie sollen sich damit unterhalten, wie sie eben können.“

Dass in das Stück indianische Melodien eingeflossen sind, ist verbürgt und auch zu hören. Schon das pentatonische Thema des Kopfsatzes gemahnt daran, ebenso die Trommelrhythmen im Finale und besonders das g-Moll-Larghetto. Dessen Thema fiel Dvorak ein, als er im September 1893 die Minnewaha-Wasserfälle besuchte. Sein Verleger Simrock zögerte nicht, diesen Satz unter einem Titel wie Indianisches Wiegenlied herauszugeben. In Amerika wurde er als Indian Canzonetta oder Indian Lament zu einem viel gespielten Salonstück. Neben diesem zweiten Satz und dem subtilen Kopfsatz berücken das mozartische Scherzo und das Finale, dessen kindlich-fröhliches Musizieren unversehens von einer wunderbaren ruhigen Melodie (Molto tranquillo) unterbrochen wird.