Klavierquartett Nr. 2 g-Moll, op. 45 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Gabriel Fauré

Klavierquartett Nr. 2 g-Moll, op. 45

Quartett Nr. 2 g-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, op. 45

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 631

Satzbezeichnungen

1. Allegro molto moderato

2. Allegro molto

3. Adagio non troppo

4. Allegro molto

Erläuterungen

Erst nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen 1871 begann das französische Musikleben, sich auf die nationalen Wurzeln der eigenen Instrumentalmusik zu besinnen. Die Gründung der Société nationale de musique sollte dazu beitragen, eine französische Kammermusik ins Leben zu rufen, was in den folgenden Jahrzehnten auch gelang. Ihr bedeutendster Vertreter wurde Gabriel Fauré.
Der sensationelle Uraufführungs-Erfolg seiner 1. Violinsonate in der Société nationale 1877 begründete Faurés Ruf. Bis 1923 schuf er neun weitere große Kammermusikwerke, unter denen die beiden Klavierquartette einen besonderen Platz einnehmen. Sie dokumentieren die Emanzipation Frankreichs in einer Gattung, die damals völlig von deutschen Vorbildern bestimmt wurde (Mendelssohn, Schumann, Brahms).
Faurés Quartette nehmen durchaus Anregungen jener „Musique germanique“ auf, verarbeiten sie aber in eigenständiger Weise. So ist das Klavierquartett, op. 45, viersätzig angelegt, mit den üblichen Satzcharakteren der deutschen romantischen Tradition und folgt im pathetischen Gestus dem Vorbild des g-Moll-Quartetts, op. 25, von Brahms. Andererseits werden alle vier Sätze durch eine idée fixe zusammengehalten, ein Motto-Thema, analog zu César Francks Klavierquintett von 1879. Dabei ist die Themenbehandlung im Detail freier, der Klang differenzierter als bei Brahms. Das Klavierquartett entstand 1886 – im gleichen Jahr wie Francks Violinsonate, die Orgelsinfonie von Saint-Saëns und die Sinfonie in g von Lalo. Wie diese ungleich berühmteren Werke ist es ein Manifest des neuen französischen Stils in der Instrumentalmusik.
Das Hauptthema des ersten Satzes stellen die Streicher im Unisono vor, getragen von einer „vulkanischen“ Klavierbegleitung (R. Orledge), die dem Thema „eruptive Kraft“ (J.-M. Nectoux) verleiht. Die ersten beiden Takte des Themas – die idée fixe – durchziehen dengesamten Satz – in fast ständiger „Überblendung“ mit den drei Seitenthemen: einer ruhigen Bratschenmelodie, deren lebhafterer Variante und einem dritten Streicherthema, das ruhig in tiefer Lage die Durchführung einleitet. Aus dem neuen Thema entwickelt sich gegen Ende der Durchführung eine Art Nocturne, eine typisch französische Episode in dem ansonsten von „deutscher“ Durchführungstechnik geprägten Satz.
Das Scherzo gewinnt seinen Reiz aus dem Rhythmus: den schwingenden Triolen des Klaviers, die die Streicher gitarrenhaft begleiten. Schon 1877 pries Saint-Saëns Fauré für seinen „Einsatz völlig unerwarteter Rhythmen“ und bemerkte: „Über allem liegt ein Reiz, der … die Menge der durchschnittlichen Hörer dahin bringt, die überraschendsten Kühnheiten als etwas ganz natürliches zu akzeptieren.“ Das ganze Scherzo ist von solchen „Kühnheiten“ durchzogen, die dazu dienen, das arabeske Scherzo-Thema den Themen des ersten Satzes gegenüberzustellen.
Das Adagio ist eng mit Faurés Biographie verknüpft: Es ist eine Erinnerung an seine Jugendzeit in Foix in den Pyrenäen, wo er als Junge im Haus der Familie die fernen Abendglocken aus dem Städtchen Cadirac hörte. „Fast unwillkürlich“, so der Komponist, erinnerte er sich über 30 Jahre später an diesen Klang, den zu Beginn das Klavier imitiert. Aus diesen Glockenklängen und einer klagenden Bratschenmelodie entwickelt sich der Satz als eine einzige ununterbrochene Barcarole, auf deren Höhepunkt die idée fixe wiedererscheint. Der amerikanische Komponist Aaron Copland sagte von diesem Satz: „Seine Schönheit ist eine wahrhaft klassische, wenn wir Klassik als Intensität auf der Grundlage von Ruhe definieren.“
Das Finale hat man mit Recht einen „besessenenWalzer“ genannt (B. Northcott). Sein Hauptthema kehrt zum Pathos des ersten Satzes zurück, die eigentlichen Themenreminiszenzen finden sich jedoch in den Seitenthemen, die auf höchst subtile Weise aus Haupt- und Seitenthema des ersten Satzes entwickelt sind.