"Garten von Freuden und Traurigkeiten" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Sofia Gubaidulina

"Garten von Freuden und Traurigkeiten"

„Garten von Freuden und Traurigkeiten“ für Flöte, Viola und Harfe (Sprecher ad lib.)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 741

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Sofia Gubaidulina,die wohl bekannteste zeitgenössische Komponistin Rußlands, stammt aus Tschistopol in der ehemaligen tatarischen Sowjetrepublik. In ihrer Musik vermischen sich russische Tradition und tatarische Abstammung zu bramanisch erzählenden, außermusikalische Quellen ausschöpfenden Kunstwerken: „Das wichtigste Ziel eines Kunstwerks ist meiner Meinung nach die Verwandlung der Zeit. Der Mensch hat diese verwandelte andere Zeit – die Zeit des Verweilens der Seele im Geistigen – in sich. Doch kann sie verdrängt werden durch unser alltägliches Zeiterleben… Die Aktivierung der anderen, essentiellen Zeit kann im Kunstwerk stattfnden.“ Als außermusikalische Anregungen dienen Gubajdulina häufig literarische Texte, so auch in Garten von Freuden und Traurigkeiten aus dem Jahre 1980. Ein Sprecher oder die Musiker rezitieren in das Trio von Flöte, Viola und Harfe hinein ein Gedicht des zeitgenössischen Autors Francisco Tanzer: Wann ist es wirklich aus? / Was ist das wahre Ende? / Alle Grenzen sind / wie mit einem Stück Holz / oder einem Schuhabsatz / in die Erde gezogen. / Bis dahin…, / hier ist die Grenze. / Alles das ist künstlich. / Morgen spielen wir / ein anderes Spiel.

1999:
Charakteristisch für die russische Komponistin Sofia Gubaidulina ist die tiefe religiöse Symbolik, die sie ihren Werken verleiht. Sie strebt nach der „re-ligio“, der „Wieder-Vereinigung“ widerstreitender Kräfte, was sich in ihrer extrem weiten stilistischen Bandbreite widerspiegelt. Man hat versucht, ihre Musik als „Versöhnung zwischen Avantgarde und historischen Musikstilen“ zu deuten. Die Komponistin meint dazu selbst:
„Ich benutze alle musikalischen Mittel, die in der Welt existieren. Für mich ist es nicht so wichtig, in einer bestimmten Tradition zu stehen. Aber die Instrumente sind für mich wichtig, sie stellen für mich so etwas wie lebende Personen dar.“

In dem Trio Garten von Freuden und Traurigkeiten, 1980 komponiert und 1993 überarbeitet, hat sie die Klangwelt des fernen Ostens verarbeitet. Wie in chinesischer oder koreanischer Musik entsteht das Stück aus äußerster Ruhe und sinkt nach aufgeregten Höhepunkten wieder in diese zurück. Alle drei Instrumente werden durch besondere Spieltechniken ihren ostasiatischen Pendants angenähert. Die Querflöte klingt zeitweise wie eine Bambusflöte, die Harfe wie eine fernöstliche Zither, die Bratsche wie ein asiatisches Streichinstrument. Daneben werden auch typische Klangfarben der westlichen Avantgarde eingesetzt, wie z. B. die Flatterzunge auf der Flöte oder ein Con Sordino durch Papierstreifen zwischen den Saiten der Harfe.

Ein langgezogener Klagegesang der Flöte eröffnet das Stück. Die chromatische Umspielung des Zentraltons a‘ in immer wiederkehrenden melodischen Floskeln und die meditative Ruhe suggerieren fernöstliche Musik – ein Eindruck, den die Glissandi der Harfe (mit dem Stimmschlüssel erzeugt) noch unterstreichen. Die Bratsche fügt eine dritte Klangebene hinzu: hohe, gebrochene Durdreiklänge im Flageolett.

Im zweiten Abschnitt dialogisieren die Instrumente aufgeregt in Terztrillern, woraus allmählich eine neue Klangfläche für die Klage der Flöte entsteht. Einen stärker rhythmisierten Abschnitt eröffnet die Harfe mit gamellanartigen Klängen. Am Ende kehren die Flötenklage und die Flageloette der Bratcshe wieder. In äußerster Stille klingt das Werk aus.