Streichquartett f-Moll, op. 20,5 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

Streichquartett f-Moll, op. 20,5

Quartett f-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 20,5; Hob. III: 35

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 870

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Menuetto

3. Adagio

4. Finale

Erläuterungen

Mit den Beinamen Haydnscher Quartette hat es bekanntlich seine eigene Bewandtnis: Manche Zyklen haben ihre Beinamen, und viele einzelne Quartette tragen solche. Kein einziger aber stammt vom Komponisten selbst, und manche wirken bei näherem Hinsehen geradezu unsinnig. Letzteres ist bei den „Sonnenquartetten“ Opus 20 der Fall: Bloß weil der Erstdruck eine in Kupfer gestochene Sonne zeigt, kamen die Quartette zu ihrem Namen. „Sonnig“ sind sie aber keineswegs, im Gegenteil: Zwei der sechs Quartette stehen in Moll, drei enden mit Schlussfugen, alle zeigen ungewöhnliche, neue Ausdrucksnuancierungen. Es handelt sich um den düstersten, exressivsten und gelehrtesten Quartettzyklus, den Haydn jemals geschaffen hat.

Er zog damit im Sommer 1772 die Konsequenz aus fünf Jahren des Experimentierens mit Passions- und Tauermusiken, wie sie seine Sinfonien aus den Jahren um 1770 prägten: Nr. 26 „Lamentatione“, Nr. 44 „Trauersinfonie“, Nr. 49 „La Passione“, Nr. 52 in c-Moll. Ihr geistliches Gegenstück finden diese Sinfonien im großartigen „Stabat mater“ von 1768, ihr kammermusikalisches in den Quartetten Opus 20 von 1772. Auch dafür hat man ein nicht ganz passendes Schlagwort geprägt: „Sturm und Drang“. Mit der literarischen Bewegung dieses Namens hatte der Haydn der Jahre um 1770 freilich keinerlei Berührungspunkte, wenn auch das Drängende seiner Musik in die gleiche Richtung ungehemmter Expression gehen mochte wie die Verse des jungen Schiller.

Im f-Moll-Quartett, op. 20 Nr. 5, wirkt der Ausdruck eher verhalten traurig denn stürmisch drängend. Der erste Satz hebt mit einer jener hoch expressiven Mollmelodien in gemäßigtem Tempo an, die das Markenzeichen des knapp vierzigjährigen Haydn waren: zaghaft singend, in Seufzer sich auflösend. Wenn das Thema nach Dur moduliert, verwandelt sich ein Ausdruck in wundersamer Weise, während das zweite Thema und die anschließenden kantablen Wendungen nur Episode bleiben. Durchführung, Reprise und Coda bleiben dem Trauergestus des Hauptthemas verpflichtet und verleihen ihm neue, unerwartete Schattierungen.

Das Menuett in f-Moll ist mehr Deklamation in Tönen als Tanz, von wunderbaren „Lichtwechseln“ in der Harmonik durchzogen, das Trio ein eher zögerliches Idyll in tiefer Lage. Durch sein F-Dur nimmt es schon den langsamen Satz vorweg, der durchgängig im schwingenden Rhythmus eines Siciliano gehalten ist. Über die schlichte Melodie legen sich nach und nach immer mehr virtuose Fiorituren der ersten Geige, die ausdrucksvoll „sprechend“ wirken. Der große Moment dieses Satzes liegt kurz vor dem Schluss, wenn das scheinbar so unschuldige Thema auf einmal dank neuer harmonischer Wendungen ganz kurz expressiv aufblüht.

Der berühmteste Satz dieses Quartetts ist das Finale, eine „Fuga a 2 soggetti“, wie Haydn gleich in der Überschrift die Spieler wissen ließ. Die beiden Fugensubjekte, sprich: Themen, begleiten einander von Beginn an im Sinne einer simultanen Doppelfuge. Es handelt sich um Standardthemen aus dem Repertoire des italienisch geprägten Kontrapunkts: Das erste Thema (die Abfolge von Quint, kleiner Sext und verminderter Sept) ist aus vielen Quellen bekannt: Händels „Messias“, italienischen Triosonaten und Orgelfugen. Das Gegenthema bringt rhythmisches Leben ins Spiel, doch bleibt der Satz im Rhythmus eher barock. Großartig wirkt aber die finale Steigerung des Themas durch Engführung, verstärkt durch den plötzlichen Wechsel vom „sempre piano“ in ein „subito forte“.

Der Staatsbesuch des Großfürsten Paul in Wien war ein diplomatisches und künstlerisches Großereignis. Mozart hoffte kurzzeitig, seinen Idomeneo als Festoper zu diesem Anlass in Wien vorstellen zu können, musste dann aber hinter Gluck zurücktreten, der das Opernprogramm komplett dominierte – mit der deutschen Iphigenia auf Tauris, der Alceste und dem Orfeo. Auch an Bällen und Konzerten mangelte es nicht, um den Sohn der Zarin Katharina zu beeindrucken. Denn Kaiser Joseph II. war auf dem besten Wege, eine (politisch fatale) Allianz mit der Zarin einzugehen.