"Zigeunertrio", Klaviertrio G-Dur, Hob. XV:25 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

"Zigeunertrio", Klaviertrio G-Dur, Hob. XV:25

“Zigeunertrio”, Trio G-Dur für Klavier, Violine und Violoncello, Hob. XV:25

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 921

Satzbezeichnungen

1. Andante.

2. Poco Adagio. Cantabile

3. Rondo all’Ongarese. Presto

Erläuterungen

Was Haydn mitten im betriebsamen London dazu veranlasste, ein Rondo im Stil ungarischer Zigeunermusik zu schreiben, bleibt sein schöpferisches Geheimnis. Der Erfolg diverser „Zigeunerthemen“ in seinen „Londoner Sinfonien“ dürfte ihn dazu animiert haben. Dabei schöpfte er aus den reichen volksmusikalischen Quellen des Balkans, wie er sie in seinen langen Jahren als Hofkapellmeister des ungarischen Magnaten von Esterházy kennen gelernt hatte – vom kroatischen Kolo über ungarische Tanzweisen bis hin zur rumänischen Bauernmusik. Es war die barbarische Ursprünglichkeit und Rohheit dieser Klänge, die bei den gebildeten Londonern wohlige Schauer hervorrief, und es waren die prallen Tanzthemen, die ihnen unwillkürlich in die Beine fuhren. Diesen bäuerlichen „Charakterköpfen“ setzte Haydn freilich Perücken auf und vergaß auch nicht den nötigen Puder der galanten Zeit.

Im weltberühmten Finale des „Zigeunertrios“ hat er echte ungarische Tanzweisen verwertet. So jedenfalls hat die ungarische Musikwissenschaft schon vor Jahrzehnten glaubhaft versichert. Die Londoner assoziierten solche Musik mit Zigeunern und nannten jenes Finale deshalb „Rondo in the Gipsies’ Style“, „Rondo im Zigeunerstil“. Haydn, der näher am Original zuhause war, schrieb „Rondo all´Ongarese“ über den Satz, „Rondo auf ungarische Art“.

Wichtiger als die Identifizierung der Volksmelodien, die Haydn hier verwertete, ist ihre dramaturgische Funktion als gleichsam überbordendes Finale eines ansonsten vornehmen Trios. Als Auftakt dient ein liedhaftes Andante in Form von Doppelvariationen: Dem sanftmütigen Durthema tritt ein wehmütiges zweites Thema in g-Moll gegenüber, die beide abwechselnd variiert werden. Das Ganze atmet den Zauber einer englischen Landschaft mit ihren Hecken und Wiesen- Darauf folgt ein Poco Adagio in E-Dur, eine echte Cavatina im italienischen Gesangsstil. Das Klavier geht mit einem gesanglichen Thema voller Verzierungen voran, worauf die Geige mit einer noch schöneren Melodie in A-Dur antwortet. Eingelullt von so viel gesanglicher Schönheit, waren die Londoner auf das bäuerlich-vitale Finale durchaus nicht vorbereitet – die Überraschung war perfekt, zumal Haydn das Rondothema zunächst in pikantem „Piano“ vorstellte. Erst danach bricht sich brachiales Forte und der ungarische Volkston Bahn in diversen Episoden. Mit dem Rondothema kehrt aber stets auch das neckische Piano zurück, so dass der Satz spannungsvoll in der Schwebe bleibt. Im Übrigen bewahrheitet sich hier, was der Ungar Béla Bartók später einmal feststellte: dass nämlich erst der „Zigeunervortrag“ den pseudo-ungarischen „Volkston“ hervorruft. Auch bei Haydn ist die klangliche Einkleidung mindestens so wichtig wie die ungarischen Themen selbst: Trommelbässe, schnarrender Bordun, Streicherspiccato, kurz angerissene Schleifer und das ständige Unisono zwischen Geige und Klavier erzeugen erst die barbarische „Wildheit“ dieses Satzes, die doch immer auch ein wenig gestutzt erscheint wie die Hecken der englischen Landschaftsparks.