Sonate A-Dur, BWV 1015 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johann Sebastian Bach

Sonate A-Dur, BWV 1015

Sonate Nr. 2 A-Dur für Violine und obligates Cembalo, BWV 1015

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 94

Satzbezeichnungen

1. (Dolce)

2. Allegro

3. Andante un poco

4. Presto

Erläuterungen

Die sechs Sonaten für Violine und obligates Cembalo, BWV 1014-1019

Die “Sei Sounate à Cembalo certato è Violino Solo”, wie sie in der frühesten authentischen Quelle genannt werden, sind Bachs bedeutendster Kammermusikzyklus, gewissermaßen sein kammermusikalisches Vermächtnis an die Nachwelt. Es waren die ersten Violinsonaten der Musikgeschichte, in denen das Tasteninstrument sich aus der Rolle der akkordischen Begleitung im Basso continuo löste und der Violine als gleichberechtigter Partner gegenübertrat. Die Fantasie, mit der Bach die satztechnischen Möglichkeiten dieser Konstellation auskostete, die formale Vollendung jeder einzelnen Sonate und ihre ganz spezifische Ausdruckswelt machen diese Stücke zu den ersten “klassischen” Duosonaten des Geigenrepertoires.

Im satztechnischen Verständnis der Bachzeit handelte es sich freilich um Triosonaten. Da über dem Bass, also der linken Hand des Cembalos, zwei Oberstimmen, die Violine und die rechte Hand, konzertieren, hat man es mit einer der Triosonate analogen Situation zu tun. Unter Bachs Händen multiplizierten sich freilich die Möglichkeiten dieser Konstellation – vom puren Cembalosolo über den strengen Triosatz bis hin zum veritablen Quartett- oder gar Quintettsatz.

Komponiert wurden die Sonaten vor 1725. Im Sommer dieses Jahres nämlich ließ Bach von seinem Neffen Johann Heinrich eine Stimmenabschrift anfertigen, die er eigenhändig um die letzten Sätze der noch unvollendeten sechsten Sonate ergänzte. Offenbar wollte Bach die Sonaten bei seinem Besuch in Dresden im September 1725 mit seinem dortigen Geigerfreund Johann Georg Pisendel spielen und möglicherweise auch im Dezember in Köthen, zusammen mit dem Köthener Konzertmeister Spieß und Fürst Leopold an der Gambe. Zu den Sonaten hat sich nämlich eine Gambenstimme erhalten, die den Cembalobass verstärkt. Komponiert wurden die Stücke sicher vor seinem Amtswechsel nach Leipzig, also vor Mai 1723 am Köthener Hof. Später hat Bach den Zyklus zweimal überarbeitet, wobei die sechste Sonate jeweils eine grundlegende Neufassung erfuhr. Die Fassung letzter Hand aus der 1740er Jahren ist in einer Abschrift seines Schwiegersohns Johann Christoph Altnickel erhalten.

SONATA II A-Dur, BWV 1015

So “unlustig” und pathetisch die erste Violine-Cembalo-Sonate anmutet, so heiter und offen gibt sich die zweite. Auf ein Dolce im pastoralen Duktus folgt ein Allegro im Tonfall eines italienischen Concerto. Sein Thema, das frei fugiert verarbeitet wird, könnte aus einem Vivaldikonzert stammen. In der Tat steigern sich Violine und Cembalo im Verlauf des Satzes zu effektvoll inszenierter, vivaldesker Virtuosität.

Ein Kunstgriff des Kontrapunktikers Bach belebt das folgende fis-Moll-Andante auf unaufdringliche Weise: Über einem unausgesetzt voranschreitenden Sechzehntelbass (staccato sempre) folgen die beiden Oberstimmen einander im Kanon. Es ist die einfachste Kanonform all’unisono (im Einklang), was angesichts der eleganten Linienführung von reizender Wirkung ist. Der Satz ist melodisch wie satztechnisch ein Gegenstück zum Mittelsatz des Zweiten Brandenburgischen Konzerts.

Konzerthaft ist schließlich auch das Finale, eine Presto-Fuge, die sich bis zur Engführung des Themas verdichtet, ohne jemals angestrengt oder ernst zu wirken.

Karl Böhmer