"Die junge Magd", op. 23,2 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Paul Hindemith

"Die junge Magd", op. 23,2

“Die junge Magd” für eine Altstimme, Flöte, Klarinette und Streichquartett, op. 23,2 (Sechs Gedichte von Georg Trakl)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 954

Satzbezeichnungen

1. Oft am Brunnen

2. Stille schafft sie in der Kammer

3. Nächtens übern kahlen Anger

4. In der Schmiede dröhnt der Hammer

5. Schmächtig hingestreckt im Bett

6. Abends schweben blutige Linnen

Erläuterungen

Als Paul Hindemith 1927 den Ruf an die Berliner Musikhochschule erhielt, wurde er vor den Augen der Nation quasi ex cathedra zum führenden Komponisten seiner Generation in Deutschland gekürt. Erst ein knappes Jahrzehnt zuvor, am Ende des Ersten Weltkriegs, hatte er seine kompositorische Berufung erkannt und ernsthaft verfolgt. Als “Bürgerschreck” wie als kantiger Stilist erwarb er sich in den folgenden Frankfurter Jahren ein scharfes Profil in der zeitgenössischen Musiklandschaft. In diese Phase des Aufbruchs gehört sein Liederzyklus Die junge Magd.

In seiner lebenslangen Beschäftigung mit Literatur fandHindemith Anregungen bei den unterschiedlichsten Dichterschulen: bei der deutschen Romantik, bei den Expressionisten, bei Vorreitern der Moderne wie Walt Whitman oder Morgenstern. Georg Trakls Gedichte für den Zyklus Die junge Magd entnahm er der Anthologienreihe Der jüngste Tag, die er regelmäßig las. 1922 bearbeitete er den dort erschienenen Trakl-Zyklus zu einer Folge von Gesängen mit kammermusikalischer Begleitung. Sie ordnen sich in eine Gruppe ähnlicher Werke ein, die der junge Komponist zwischen 1919 und 1925 schrieb: Melancholie nach Morgenstern, Des Todes Tod nach Reinacher und Die Serenaden nach verschiedenen Dichtern.

Höhepunkt dieser Serie von Kammergesängen ist zweifellos Die junge Magd für Altstimme, Flöte, Klarinette und Streichquartett. Trakls Bilder von der Einsamkeit einer bleichen Magd auf einem öden Hof und ihrer in düstere Symbole gehüllten Liebe zu einem Knecht inspirierten den jungen Hindemith zu suggestiven Klangbildern, die den Einfluss des französischen Impressionismus nicht verleugnen. Die Musik ist atmosphärisch-klangbetont und damit für den frühen Stil Hindemiths typisch. Die Melodik nimmt an vielen Stellen den Volksliedstil der Sinfonie Mathis der Mahler vorweg, und auch die Führung der Altstimme lehnt sich an den Duktus des Volkslieds an. Holzschnittartig tritt sie mit den Instrumenten, besonders den Bläsern in einen Dialog, der trotz tonmalerischer Details nirgends vordergründig wirkt. Dahinter verbirgt sich stets die tief-symbolische Bedeutung der Bilder Trakls, so im Ruf der Amsel, den in Nr. 2 die Flöte imitiert, oder im “mürrischen Wind” und im Mondlicht von Nr. 3 (Soli für Klarinette und Viola). Der dröhnende Hammer, der wie ein Damoklesschwert über dem vierten Lied schwebt, ist in den gedämpften Akzenten der Streicher zu vernehmen, das süße Bangen von Nr. 5 in Flöten-Seufzern. Die Farbigkeit erscheint fahl-zurückgenommen, suggestiv auf Trakls bedrückende Metaphern eingestimmt.

2003
PAUL HINDEMITH
Die junge Magd (1922)

In seiner lebenslangen Beschäftigung mit Literatur fand Paul Hindemith Anregungen bei den unterschiedlichsten Dichterschulen: bei der deutschen Romantik, bei den Expressionisten wie Trakl oder Kokoschka, bei Vorreitern der Moderne wie Walt Whitman oder Morgenstern. Georg Trakls Gedichte für den Zyklus Die junge Magd entnahm Hindemith der Anthologienreihe Der jüngste Tag, die er regelmäßig las. 1922 bearbeitete er den dort erschienenen Trakl-Zyklus zu einer Folge von Gesängen mit kammermusikalischer Begleitung. Sie ordnen sich in eine Gruppe ähnlicher Werke ein, die der junge Komponist zwischen 1919 und 1925 schrieb: Melancholie nach Morgenstern, Des Todes Tod nach Reinacher und Die Serenaden nach verschiedenen Dichtern.

Höhepunkt dieser Serie von Kammergesängen ist zweifellos Die junge Magd für Altstimme, Flöte, Klarinette und Streichquartett. Trakls Bilder von der Einsamkeit einer bleichen Magd auf einem öden Hof und ihrer in düstere Symbole gehüllten Liebe zu einem Knecht inspirierten den jungen Hindemith zu suggestiven Klangbildern, die den Einfluss des französischen Impressionismus nicht verleugnen. Die Musik ist atmosphärisch-klangbetont und damit für den frühen Stil Hindemiths typisch. Die Melodik nimmt an vielen Stellen den Volksliedstil der Sinfonie Mathis der Mahler vorweg, und auch die Führung der Altstimme lehnt sich an den Duktus des Volkslieds an. Holzschnittartig tritt sie mit den Instrumenten, besonders den Bläsern in einen Dialog, der trotz tonmalerischer Details nirgends vordergründig wirkt. Dahinter verbirgt sich stets die tief-symbolische Bedeutung der Bilder Trakls, so im Ruf der Amsel, den in Nr. 2 die Flöte imitiert, oder im “mürrischen Wind” und im Mondlicht von Nr. 3 (Soli für Klarinette und Viola). Der dröhnende Hammer, der wie ein Damoklesschwert über dem vierten Lied schwebt, ist in den gedämpften Akzenten der Streicher zu spüren, das süße Bangen von Nr. 5 in Flöten-Seufzern. Die Farbigkeit erscheint fahl-zurückgenommen, suggestiv werden Trakls Metaphern im bedrückten Klangbild beschworen.