Streichtrio, op. 34 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Paul Hindemith

Streichtrio, op. 34

Trio für Violine, Viola und Violoncello, op. 34

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 981

Satzbezeichnungen

1. Toccata. Schnelle Halbe, Prestissimo

2. Langsam und mit großer Ruhe. Halbe Achtel

3. Mäßig schnelle Viertel. Den ganzen Satz ist pizzicato zu spielen, mit Ausnahme der eltzten Takte im Cello.

4. Fuge. Sehr lebhafte Halbe

Erläuterungen

1995
Streichtrio Nr. 1, op. 34 (1924)

Das Streichtrio Nr. 1 aus dem Jahre 1924 ist das späteste Werk dieses Konzerts, was ohne weiteres an der Harmonik hörbar wird. Hindemith fröhnte hier im Zusammenspiel der drei Streicher bereits jener rigorosen Freude an der Dissonanz, die ihn in den folgenden Jahren berühmt machen sollte. Ebenso unerbittlich wirkt der dreistimmige Kontrapunkt, der alle vier Sätze durchdringt. Daß jeder Satz überdies einem spätbarocken Satzmodell folgt, zeugt weniger von einem neobarocken Atavismus als vielmehr von der Wende des Autors zur “neuen Sachlichkeit”, einem Komponieren, aus dem alle spätromantisch schwelgerischen Züge verbannt sind.

Die Toccata des Kopfsatzes ist nicht im Sinne mancher Orgeltoccaten als eine Art freie Fantasie zu verstehen, sondern folgt der zweiten Variante der Barocktoccata: dem motorischen Spielstück. Es ist zwingend gegliedert: nach der Vorstellung des Themas im Unisono erhält jeder der drei Spieler ein ausgedehntes Solo mit charakteristischen Figuren (Legatotriolen bei der Violine, rasende Sechzehntelläufe in der Bratsche, punktierte Rhythmen im Cello). Zwischen Geigen- und Bratschensolo ist ein zweites Unisono eingeschoben, das dritte folgt am Ende des Satzes, nachdem jeder Spieler einen furiosen Kadenzlauf absolviert hat. – Der langsame zweite Satz folgt dem Vorbild der Mittelsätze aus Bachs Orgeltriosonaten: zwei imitatorisch eng verwobene Oberstimmen über einem selbständigen Baß. – Der dritte Satz ist laut Partitur “pizzicato zu spielen, mit Ausnahme der letzten Takte im Cello”. Außerdem setzen die Spieler Dämpfer auf die Instrumente. Der Tanzcharakter ähnelt dem einer Bourree. – Am kunstvollsten ist die abschließende Fuge angelegt, nicht nur, weil Hindemith hier von allen Regeln der Fugenkunst wie Engführung, Umkehrung und doppeltem Kontrapunkt virtuosen Gebrauch machte. Zunächst wird schon dem Thema entgegen der Tradition ein ostinates Kontrasubjekt beigefügt, das aus dem Themenkopf selbst besteht. Dieser Ostinato entwickelt im Satzverlauf Eigendynamik. Außerdem bricht nach drei Durchführungen – einer in Originalgestalt, einer in Engführung und einer in Umkehrung -, die Allegro-Fuge ab, und es setzt eine zweite Fuge im Adagio ein. Im dritten Abschnitt werden im triplierten Metrum (6/4-Takt) das Hauptthema, seine Umkehrung und das Thema der zweiten Fuge miteinander kombiniert. An diesen Höhepunkt schließen sich eine Prestissimo-Coda und das Fugenthema im Unisono als triumphaler Abschluß an.