"Quartetto Medico", op. 70 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Vagn Holmboe

"Quartetto Medico", op. 70

Quartett „Quartetto Medico“ für Flöte, Oboe, Klarinette und Klavier, op. 70

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 994

Satzbezeichnungen

1. Andante medicamento

2. Allegro quasi febrilo

3. Intermdico I: Andante senza pianisticitis

4. Intermedico II (sans marais): Poco largamento

5. Allegro con frangula

Erläuterungen

1995
Vagn Holmboe: Quartetto Medico, op. 70

Die Medizin wurde seit der Renaissance gelegentlich zum Gegenstand von Musikstücken, so etwa in der berühmt-grausamen Darstellung einer barocken Gallensteinoperation durch den französischen Gambenmeister Marin Marais. Kein Komponist hat jedoch die beiden Disziplinen humorvoller zusammengeführt als der Däne Vagn Holmboe in seinem Quartetto Medico von 1956. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern stellte er nicht medizinische Behandlung in Noten dar, sondern brachte umgekehrt die latent medizinische Seite musikalischer Vorgänge ans Licht. Medizinische Satzbezeichnungen weisen der Musik teils therapeutische Funktion zu (Andante medicamento), teils setzen sie ihre Affektdarstellung zu Krankheitssymptomen in Beziehung (Allegro febraico). Das Intermezzo wird zum Intermedico, das die Bläser von einer Krankheit heilt, die man in medizinischen Wörterbüchern vergeblich sucht: der Pianisticitis. Im Intermedico II darf sich dafür der Pianist von der Last der Bläser (französisch „marais“) erholen, während sich im Finale alle zu einem Allegro con frangula zusammenfinden.

Die ironische Attitüde dieses Quartetts für Klavier und drei Bläser ist nur ein Aspekt in dem vielseitigen Schaffen Holmboes, das man in Mitteleuropa gerade erst zu entdecken beginnt. Holmboe gilt als „der führende dänische Sinfoniker nach Nielsen und Autor einer Serie von Streichquartetten, die allgemein als der wichtigste skandinavische Beitrag zur Gattung nach dem II. Weltkrieg angesehen wird“ (Robert Layton). Durch seine Lehrer Knud Jeppesen und Ernst Toch wurde Holmboe in eine neoklassizistische Richtung gewiesen. „Seine Kunst hat sich seit den ersten bedeutenden Werken der späten 40er und frühen 50er Jahre nicht mehr stark verändert … Kompromißlos in seiner Integrität, hat er den Neuerungen der 50er und 60er Jahre widerstanden und eine Musik von seltener Kontinuität und Qualität hervorgebracht“ (Layton). Neben dem Streichquartett spielen Bläserwerke (Notturno für Bläserquintett, Blechbläserquintette etc.) in seinem Schaffen eine wichtige Rolle.