"Una voce poco fa" aus Il Barbiere Di Siviglia | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Gioacchino Rossini

"Una voce poco fa" aus Il Barbiere Di Siviglia

„Una voce poco fa“, Cavatina der Rosina aus Il Barbiere Di Siviglia

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3451

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2004
BARBIER & ASCHENBRÖDEL

Es wäre falsch zu sagen, mit Rossini habe der Siegeszug der italienischen Oper um die Welt begonnen. Längst hatten die ernste und heitere Oper Italiens, Opera seria und Opera buffa, die Bühnen nördlich der Alpen erobert, als sich der „Schwan von Pesaro“ zum Siegeszug um die Welt anschickte. Eines freilich fehlte Rossinis Vorgängern von Monteverdi über Pergolesi bis zu Cimarosa: echte Volkstümlichkeit, eine Fähigkeit, große Massen in Begeisterung bis hin zur Hysterie zu versetzen. Dies blieb dem Komponisten des Barbier von Sevilla vorbehalten, und gleich an diesem, seinem ersten Welterfolg kann man den Unterschied ermessen.

Bekanntlich war es Giovanni Paisiello, der 1782 die erste Opernversion von Beaumarchais‘ Theaterstück Le barbier de Seville verfasste. Diese für Katharina die Große in St. Petersburg geschriebene Opera buffa bezauberte das Zeitalter und hielt sich bis ins frühe 19. Jahrhundert im Repertoire, so lange, bis ein junger Komponist namens Rossini sich erdreistete, Paisiellos Meisterwerk herauszufordern. Anfänglich, am Premierenabend, obsiegte noch die Ehrfurcht der Italiener vor ihrem Musikheiligen Paisiello, doch schon kurz danach war kein Halten mehr: Rossinis Barbier, nicht der seines Vorgängers versetzte ganz Europa in einen Taumel des Entzückens. Trotz aller Verdienste des klassisch schönen Paisiello-Stücks blieb es Rossini vorbehalten, den Gestalten Beaumarchais‘ Witz und pralles Leben einzuhauchen.

Rosina, das adlige Mündel ihres bürgerlichen Vormunds und Aufpassers Don Bartolo, ist bei Paisiello noch ganz zarte Lyrik. Bei Rossini spielt sie perfekt die scheinbar Naive, während sie doch nach Herzenlust mit Figaro und dem Grafen Almaviva gegen ihren Vormund intrigiert. Zu Beginn des zweiten Bildes hält sie einen glühenden Liebesbrief an ihren Verehrer Lindoro – den verkleideten Grafen – in Händen, den sie wenig später durch Figaro auf den Weg bringen wird. Doch zuvor gibt sie sich ein wenig pathetisch ihren Gefühlen für den Verehrer hin (Una voce poco fa, erster Teil der Arie), um dann im zweiten schnellen Teil zu erklären, dass sie durchaus lernfähig sei (Io son docile). Normalerweise sei sie lammfromm, doch wenn man sie reize, verwandele sie sich in eine Viper. Ihre Koloraturen lassen daran keinen Zweifel aufkommen.

Der despotische Bartolo hat Helfershelfer wie den schleimigen Basilio, Rosinas Musikmeister. Seine Arie La calunnia ist das Hohelied der Verleumdung und üblen Nachrede. Sie schildert in so zynischer Weise das leise Entstehen von Gerüchten, ihre allmählich anschwellende Kraft und ihre finale, vernichtende Wirkung, dass man nur Mitleid haben kann – mit Basilios potentiellen Opfern und mit seiner Gesangsschülerin. Unnötig zu sagen, dass sich der Orchestermagier Rossini das Anschwellen des Gerüchts nicht entgehen ließ, um eines seiner wohl kalkulierten Crescendi anzubringen.
Mädchen, die einem widrigen Geschick durch Mut und Witz trotzen, scheinen Rossini fasziniert zu haben. Auch in La Cenerentola begegnen wir einer solchen Titelheldin: der italienischen Ausgabe unseres Aschenbrödels. Am Ende der turbulenten Handlung, die dem Märchen folgt, schließt sie großmütig ihren Stiefvater Don Magnifico und ihre bösen Halbschwestern in die Arme und verzeiht ihnen. Überstanden ist die Zeit, in der sie traurig beim Herd stand, während die beiden eitlen Halbschwestern sich Hoffnungen auf die Hand des Fürsten Ramiro machten. Dieser hatte vorsorglich seinen Diener Dandini, als Fürst verkleidet, ins Haus Don Magnificos geschickt. Dort machte er in einer grotesken Arie den beiden hässlichen Schwestern zugleich den Hof – „ganz der Vater“, wie er zynisch bemerkt.