Zeitungsausschnitte, op. 11 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Hanns Eisler

Zeitungsausschnitte, op. 11

Zeitungsausschnitte, op. 11

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4054

Satzbezeichnungen

Liebeslied eines Kleinbürgermädchens
Liebeslied eines Grundbesitzers
(Heiratsannoncen)

Erläuterungen

Mitten in den „Goldenen Zwanzigern“ war es ein militanter Vertreter der Arbeitermusikbewegung, der das Klischee vom Kunstlied in Frage stellte: Hanns Eisler. 1924/25 fasste er Zeitungsausschnitte zu einem Liederzyklus zusammen: zufällig gefundene Zitate aus Romanbeilagen, Verlautbarungen, aber auch von der Annconcenseite. Von dort nahm Eisler zwei Heiratsanzeigen zur Vertonung vor – die eine so doppelbödig wie die andere. Das Kleinbürgermädchen soll ihre Annonce, so der Komponist „sehr schlicht, einfach: ohne jede Parodie, Humor, Witz etc. vortragen“, denn „nicht die Person soll denunziert werden, wohl aber der Text, der ihr zugemutet wird“. Aus der Heiratsannonce des Grundbesitzers spürt man Besitzgier heraus. Eisler bediente sich hier „musikalischer Abfallprodukte, geläufiger Formeln aus der Schundproduktion, die er, verzerrend, verbiegend, in all ihrer Banalität ausstellt. Auch vielstrapazierte Gesten klassischer Musik werden in ihrer Abgenutztheit bloßgestellt, so in der Heiratsannonce des «Kleinbürgermädchens» ausgreifende Expressivität, der, entlarvend, ein albernes Getänzel folgt, oder in der des «Grundbesitzers» aufputschende Chromatik, für die in wohlüberlegter Anspielung auf den Text das «Tristan»-Motiv steht.“ (Fritz Henneberg)

Eisler warnte davor, diese Lieder als Spiele aufzufassen; sie seien absolut ernst gemeint. „Das war ein Protest vor allem gegen das, was ich die bürgerliche Konzertlyrik nannte, über die ich mich lustig machte. Das hob sich insofern heraus, wenn man bedenkt, was für Lieder in der damaligen Zeit Schönberg komponiert hatte, Anton Webern, Alban Berg oder meine Kollegen Krenek oder Hindemith. – Nun, volkstümlich sind diese Lieder nicht. Sie sind auch nicht, was man Volksmusik nennt. Sie sind absolut Lieder der großen Städte, und für sie auch geplant gewesen. Sie schockierten das Publikum bei der ersten Aufführung ganz enorm.“ Stuckenschmidt berichtete von der Uraufführung 1927 in Berlin, daß die Stücke „auf erbitterten Widerstand, auch bei den Klügsten und Konziliantesten“ gestoßen seien. Adorno meinte, dies seien Lieder, „um das Lied zu beenden“.